Nach zwei Nächten in Pristina war es wieder Zeit weiter zu ziehen. Unser nächstes Ziel im Kosovo war die zweitgrößte Stadt Prizren – aber nicht auf direktem Wege sondern über Ferizaj und den Prevalac (1560 moh) durch die hohen Berge im Süden.

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Eigentlich wollten wir als Nachtlager den Fuß des Passes noch erreichen (wir hatten Respekt vor den angeblichen 15 bis 22% Steigung) aber mal wieder kam alles anders. Etwa 10 km hinter Ferizaj kamen wir am Straßenrand mit Agron ins Gespräch. Er lebt seit 20 Jahren in Düsseldorf und besucht im Kosovo seine Familie. Kurzerhand wurden wir ins Haus eingeladen in dem seine Mutter und sein Bruder mit seiner Frau und seinen drei Kindern lebt.

Für uns war es das erste mal in einer albanischen Familie und wir durften eine sehr herzliche, neuartige Gastfreundschaft und Kultur erleben. Spontan und ohne von uns zu wissen kamen am Abend noch Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen und Freunde zu Besuch – full House! Die Frauen machten Abendessen, alle die essen wollten saßen zusammen in der Küche um einen flachen runden Tisch auf dem Teppich, die Anderen saßen im Wohnzimmer, quatschen, spielten mit den Kindern und tranken Tee.

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Schon die Einrichtung macht deutlich wieviel Wert hier auf Familienleben, Gastfreundschaft und Spontanität gelegt wird: Im Salon bzw. Wohnzimmer erstreckte sich das längste Ecksofa, das ich je gesehen habe. Hier ist Platz für bestimmt 20 Personen und bleibt der Besuch spontan über Nacht, lassen sich alle Sofas zu Betten ausziehen. Ähnlich ist es in der Küche: Dadurch, dass am Boden gegessen wird (super angenehm und schön!) und es keine Stühle gibt, ist die Anzahl an “Sitzplätzen” nicht begrenzt. Kommt noch ein weiterer Gast zu Besuch, wird einfach ein bisschen enger zusammen gerückt.

Was uns faszinierte war nicht nur das schöne Miteinander sondern auch das entspannte Nebeneinander. Als Gast fühlten wir uns herzlich umsorgt aber nicht als Zentrum des Geschehens, was die gesamte Situation sehr entspannt macht.

Nach einer bequemen Nacht im Gästezimmer verbrachten wir am Morgen noch gemütliche Stunden mit der Familie, genossen ein üppiges Frühstück und Kiki konnte sich noch im Frittieren von Gebäck (ähnlich wie Quarkbällchen) und dem Melken der Kuh versuchen. Nach einer finalen Stärkung mit Baklava und Kaffee radelten wir weiter Richtung Passhöhe.

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Die gesamte Strecke über den Prevallë-Pass bis Prizren war unglaublich und wir waren so euphorisiert von den Bergen und Panoramen, dass wir die Anstrengung schnell vergessen hatten.

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Über Lebane reisten wir von Osten in den Kosovo ein. Ein anstrengender Grenzübergang auf ca. 1000 moh und zudem ein aufregender: Da Serbien die Autonomie Kosovos nicht anerkennt, quittiert der serbische Zoll in der Regel nicht die Ausreise im Reisepass. Bei der erneuten Einreise nach Serbien kann es daher zu Problemen kommen. Zudem soll es angeblich üblich sein, dass der kosovarische Zoll nicht direkt im Reisepass sondern auf einem eingelegten Blatt stempelt um Komplikationen mit anderen Ländern zu vermeiden. Bei uns kam alles anders: Kiki bekam einen serbischen Stempel zur Ausreise (ich nutzte den Personalausweis) und die kosovarischen Grenzbeamten stempelten direkt im Reisepass.

Wir hatten keine Ahnung, was uns im Kosovo erwarten würde. Reisende erzählten uns von den gastfreundlichen Kosovaren – vorallem gegenüber Deutschen – und der schönen, bergigen Landschaft; Hingegen warnten uns die Serben vor den Kosovoalbanern. Sie selber hätten Angst in den Kosovo zu fahren, da die Albaner die Serben “hassen” und körperlich Übergriffe nicht selten seien.
Uns stellte der Konflikt zwischen den Kosovoalbanern und der serbischen Minderheit vor banale Fragen, z. B. auf welcher Sprache man nun Kosovaren grüßen sollte.

Die erste richtige Stadt hinter der Grenze war gleich die Hauptstadt Pristina – auf den ersten Blick sympathisch. Vom Stadtbild gibt es keine auffallende Unterschiede zu Serbien bis auf die Minarette der Moscheen die hier vermehrt anstelle von Kirchtürmen über die Dächer ragen.
Auffallend in Pristina ist die allgegenwärtige Präsenz unterschiedlichster Cafés und der Kaffee bzw. der Macchiato ist hier wirklich unfassbar gut. Wer meint im Wien sei die Dichte an Kaffeehäusern groß, sollte mal nach Pristina reisen! Zum Kaffee gibt es oft noch eine reiche Auswahl an süßen Teilchen, Kuchen und Torten die auch noch verdammt günstig sind. Ihr könnt euch also vorstellen, wie wir hier die Zeit verbringen.. Aus einer geplanten Übernachtung in Pristina sind bereits zwei geworden :)

In Gesprächen mit jungen Kosovoalbanern wird immer wieder deutlich, dass eine große Angst und Vorurteile gegenüber den Serben existieren und die Problematik in den Menschen und nicht der Politik gesehen wird. Wir haben von beiden Seiten gehört wie vermeintlich gefährlich die Albaner bzw. Serben seien und wie übel die Absichten (Großserbisches bzw. -albanisches Reich) der jeweiligen anderen ethnischen Gruppe seien und dabei wird gleichzeitig beteuert, dass ihre eigenen Absichten Friedliche sind.. Eine prekäre Situation. Wir sind gespannt mit mehr Kosovaren und Albanern über die Situation zu sprechen und mehr über die Hintergründe des Konflikts zu erfahren.

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