Nach 2 1/2 wunderschönen gemeinsamen Monaten trennten sich letzten Samstag in Marmaris unsere Wege. Kiki fuhr eine letzte dicke Etappe (100 km und über 1000 Höhenmeter) nach Göçek um startet von dort mit ihrer Familie eine einwöchige Segeltörn.
Ich habe mich entschlossen die Tour entspannt auf Rhodos ausklingen zu lassen und nahm am Samstag die Fähre.

image

image

Es war ein großes Abenteuer. Kiki und ich kannten uns davor nicht wirklich gut und haben trotzdem voller Zuversicht beschlossen eine lange Zeit zusammen zu reisen. Über solch einen langen Zeitraum bröckelt jede Fassade und man lernt sich richtig kennen, auch mit allen Ecken, Kanten und Eigenarten.

Zwei Stories zu dem Thema muss ich hierzu noch loswerden: In Sighisoara übernachteten wir in einem kleinen, süßen Hostel. Gast war unter anderem ein französischer Arzt mit dem wir am Abend essen waren. Am nächsten Morgen nahm er mich zur Seite und meinte, dass bei uns zwei große Egos aufeinander treffen und wir doch bitte über alles reden sollen weil er in uns ein gutes Team sieht. Als ich das später Kiki erzählte mussten wir beide schmunzeln und vermutlich hat er schon recht – wir können beide ziemliche Dickköpfe sein.
Die zweite Situation war in Marmaris in einer Okey-Bar (Okey ist ähnlich wie Rummikub). Dort trafen wir Mustafa der Kiki vom Nachbartisch bei einem falschen Zug erwischte. Er setzte sich zu uns und nach kurzer Zeit fragte er uns nach unseren Sternzeichen – beides Widder, eine angeblich explosive Kombination. Später las er noch aus unseren Handflächen und offenbarte uns unter anderem, wie ausgeprägt Kiki’s Rationalität sei und dass ich sehr leicht zum weinen zu bringen sei :)

Ich bin stolz darauf wie gut wir das hinbekommen haben. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich den Wunsch doch lieber alleine zu radeln und habe es genossen all die schönen Erfahrungen mit Kiki teilen zu können.

Zudem haben wir festgestellt, dass wir als männlich-weibliches Duo sehr leicht mit den Menschen in Kontakt kommen. Nach dem Motto “ein alleinreisender Mann ist nicht so vertrauenserweckend und eine alleinreisenden Frau spricht man nicht an”. So kam der erste Kontakt meistens über mich zu Stande und oft war dabei Schnaps involviert. Kiki fiel es anschließend leichter einen innigen Kontakt mit den Familien, Frauen und Kindern aufzubauen und ermöglichte uns so erst richtig in die Leben einzutauchen. Definitiv ein gutes Duo! :)

Prost / na zdraví (CZ) / na zdravie (SK) / За здоровя (UA) / noroc (RO) / živeli (SRB) / gëzuar (AL) / hа здравје (MK) / yamas (GR) / şerefe (TK) auf eine geile Zeit Kiki!

image

9 Tage radelten wir entlang der türkischen Küste bis Marmaris. Für mich absolut ein Land zum Wohlfühlen – die Menschen, das Essen, Feigen- und Granatapfelbäume am Straßenrand, karge Berge, Buchten, Traumstrände und nicht zuletzt das grandiose Wetter noch Ende Oktober. Und wir sind verdammt froh zu dieser Zeit hier zu sein – nicht nur wegen der teils anstrengenden Hitze sondern vor allem weil man bei vielen Küstenorten und Stränden erahnen kann wie furchtbar es dort bei Hochsaison sein muss.

Da ich momentan im absoluten Faulenzermodus bin, müsst ihr euch mit Fotos begnügen. Die dazugehören Geschichten erzählen wir euch dann daheim :)

Da uns Hanna gesagt hat, dass sie trotz unserer Blogeinträge immer noch keine wirklich konkrete Vorstellung von unserem Reise-Radel-Alltag hat, haben wir uns einen türkischen Tag rausgepickt für die ultimative Foto(not Love, I’m Sorry)Story. Es war witzigerweise der erste und einzige Tag an dem wir einen Platten hatten.

An dem Tag radelten wir von Çesme übers Inland Urla, Seferihisar nach Cumhuriyet wieder an die Küste.

7 Uhr Sonnenaufgang, langsam wach werden, Schwimmen gehen und dann auf in die Stadt für ein türkisches Frühstück mit Börek und Tee.

Kurz hinter Çesme darf Kiki ihren ersten Platten nach ca. 5000 km flicken. Weiter geht’s durch durch steppenartige Landschaft nach Urla – dank Melonen-Verkäufer am Straßenrand mit leckerer Pause am Wasser.

In Urla erwartet uns ein großer Markt. Wir verlassen die Stadt mit schönen Eindrücken und prall gefüllten Packtaschen voll mit Obst, Gemüse, Brot und Trockenfrüchten.

Bis Seferihisar müssen wir erstmal einen kleinen Pass überwinden um dann 20 km einer großen, verkehrsreichen Straße zu folgen – das gehört mangels Alternativen ab und zu dazu.. Mit der richtigen Einstellung oder Musik überstehen wir solche Durststrecken aber meist recht gut.

Ich komme in Seferihisar früher als Kiki an und befriedige erstmal meine Kaffeesucht mit dekadent serviertem türkischen Kaffee. Dabei komme ich mit Ömer, einem Musiklehrer aus dem Ort, ins Gespräch und werde prompt auf ein Pide eingeladen. Als Kiki dazu kommt nimmt der Abend seinen Lauf.. Rake, Bier, Geburtstagskuchen und interessante Gespräche führen dazu, dass wir die Zeit vergessen.

Erst in der Dämmerung können wir uns aufraffen die letzten Kilometer bis an die Küste zu radeln um uns dort einen Schlafplatz zu suchen – mit Erfolg. Wir hatten eine königliche Nacht auf einem alten Betonsteg.

Den nächsten Morgen ließen wir entspannt angehen und dösten noch in unseren Schlafsäcken.. Bis eine Windböe es schaffte Kiki’s Rad umzupusten. Leider stand es genau so, dass es mit der Packtasche auf ihren Kopf fiel. Ich sprang aus meinem Schlafsack um sie zu befreien und war dann sehr erleichtert Kiki lauthals lachen zu hören.
Später kam eine ältere Frau, die das Unglück gesehen hatte, zu uns auf den Steg. Sie hatte so süßes mütterliches Mitleid mit Kiki, versicherte sich, dass alles in Ordnung sei und gab uns noch eine Tüte voll mit Trauben und Granatäpfeln mit. Ein schöner, witziger Start in einen neuen Tag!

Von Thessaloniki nach Kavala, hier mit der Fähre nach Chios (mit den zwei netten radreisenden Schweizern Judith & Josua) und dann weiter nach Çesme in die Türkei.
Kavala ist eine wunderschöne, schnuckelige Stadt in der wir fast zu den Zeugen Jehovas konvertiert worden wären (Burek als Bestechungsmaterial). 

image

image

image

image

image

Bei der Abfahrt haben wir das erste Mal auf der gesamten Reise die Flüchtlingsbewegungen aus Syrien mitbekommen. Am Hafen warteten die Menschen um auf die Fähre zu gelangen. Wenn ich es richtig verstanden habe dürfen sie, einmal in der EU angekommen und registriert, auch manche der grossen offiziellen Fähren benutzen. Voraussetzt sie haben das nötige Klein(groß)Geld für das Ticket versteht sich (Oh ja flüchten ist auch außerhalb der Schlepperrouten eine Geldfrage). In Kavala waren viele Busse und Freiwillige, die die Menschen mit Essen und Kleidern versorgt haben. 

Später auf Chios sah das anders aus. Hier kommen tagtäglich hunderte bis tausende Flüchtlinge über die nur 10 km lange Strecke von der Türkei. Es gibt ein Lager im Stadtzentrum und eins im Norden der Insel aber die meisten Menschen wollen nicht lange bleiben. Die Stimmung am Hafen war auch irgendwie angespannt und ich glaube viele der Einheimischen sind ziemlich erschlagen von der Situation. 

Vor unserer Abfahrt in die Türkei am Abend war es besonderes krass. Der Hafen auf Chios war plötzlich voll von Menschen und die sahen einfach so erschöpft aus. Unglaublich. Einfach müde und erschöpft. Viele lagen zwischen den Autos zum schlafen. Die meisten Kids waren auch total still. Das vor dem eigenen Auge zu sehen macht noch mal bewusst wie wenig Fernsehbilder doch tatsächlich berühren. Oder sagen wir, wie schnell man Fernsehbilder (auch gerne) wieder vergisst. 

Wir haben mit ein paar Syrern geredet und wir hoffen einfach, dass es für die Menschen ein Ankommen gibt. In Sicherheit. Was ihr Nomadenleben in Angst beendet. Keiner von denen verlässt ihr Land freiwillig. Aber wenn in jeder Familie mindestens eine Person ums Leben gekommen ist und manche Familien komplett ausgelöscht wurden, wer würde dann noch bleiben?

image

Jetzt in der Türkei sind wir im Paradies. Wunderschöne Landschaft, kleine Buchten, türkises Meer und Sonne! Man muss sich keine Gedanken um das Wetter machen und das Erste was wir morgens tun ist nach Seeigeln zu tauchen. Kurz nach der Erfahrung auf Chios ist das einfach ein perverser Kontrast der uns immer noch begleitet.

image

image

Finale! Und was für eins!

Die letzten Kilometer in Istanbul rein waren wohl die nervenaufreibendsten der gesamten Tour. Der türkische Fahrstil kombiniert mit 5 spurigen Straßen (pro Richtung) sorgt definitiv für Adrenalinkicks und Schweißausbrüche.

Tarkan hat mir vorab geschrieben, dass ich seinen Cousin Bülent, der mit seiner Frau und seinem Sohn in Istanbul wohnt, besuchen kann. Als ich dort ankam, nahmen Sie mich super herzlich auf und es war selbstverständlich für Sie, dass ich auch dort übernachte. So verbrachte ich zwei wunderschöne Tage in der Familie mit unfassbar leckerem türkischen Essen. Am zweiten Tag führte mich Barış, der Sohn, durch Istanbul. Neben den wichtigsten Sehenswürdigkeiten genossen wir auch Unmengen an Baklava – das wohl leckerste Dessert weltweit!

Die restlichen Tage verbringe ich in einem schönen Hostel in Sultanahmet, dem historischen Kern Istanbuls. Ich bin froh noch einige Tage hier zu sein, da es  soviel zu entdecken gibt..

image

image

image

image

image

image

image

image

image

Die Türken sind unglaublich! Nie habe ich eine solche Herzlichkeit und Gastfreundschaft erlebt. Seit dem Grenzübergang ist Shosho und mir soviel Schönes widerfahren, dass es jetzt schon schwer fällt, mich an Alles zu erinnern.

Es ging schon vor der Grenze los, als ein türkischer Autofahrer uns den Pass hochstrampeln sah und anbot uns samt Fahrrädern bis kurz vor Istanbul zu chauffieren. Wir lehnten jedoch dankend ab. Nachdem wir den Pass und den Grenzübergang passiert hatten, radelten wir zur nächsten Stadt, um Essen zu besorgen. Doch dazu kam es nicht, denn noch vor der Stadt wurden wir an einem Rastplatz von einer Gruppe älterer Türken zu köstlichen Sandwiches eingeladen. Später in der Stadt wollten wir eigentlich nur Geld am Automaten ziehen, aber daraus wurde ein heiteres Gewusel. Kinder kamen angelaufen um uns zu begutachten und zu begrüßen, wir quatschten mit den Einheimischen und landeten dann doch in einem Lokal und genossen unsere erste türkische Mahlzeit.. Und so grandios ging es die ganze Zeit weiter! Die nächsten Tage werden spitze!

Die folgenden Bilder sind von Shosho, der stets im passenden Moment die Kamera zur Hand hat.

image

Das Wetter ist zwar nicht das Beste, aber die unglaublichen Begegnungen machen das locker wett. © Shosho Chang

image

Gruppenfoto mit den Türken, die uns am Rastplatz zum Snack einluden. © Shosho Chang

image

Begrüßung der Kids in Saray. © Shosho Chang

image

Lecker Essen gibt's auch noch! © Shosho Chang