Was ein Finale im Baltikum! Nachdem ich die letzte Nacht in einem wunderschönen Pinienwald kurz vor Druskininkai übernachtet habe, bin ich auf dem Weg in die Stadt an einer kleinen Wakeboardanlage am Alta See vorbei geradelt. Ich gesellte mich zu den Jungs in die Sonne, quatschte und schaute bei der wilden Wasserakrobatik zu.

Wie einige von euch vielleicht wissen, waren meine ersten und letzten Versuche auf dem Wakeboard nicht sehr erfolgreich: Wie sehr ich es auch wollte, ich bekam meinen Arsch nicht aus dem Wasser und schrammte jedesmal mit den Fingern über die Boardkante. Das Fazit danach war klar – mein Arsch ist einfach zu schwer!

Doch die Litauer ermutigten mich zu einem neuen Versuch und erklärten mir, dass der Start bei so einer Anlage viel einfacher ist als beim Boot, da man förmlich nach oben aus dem Wasser gezogen wird. Na gut.. also rein in den Neopren und ab aufs Board! Wenige Startversuche später stand ich auf dem Board und surfte über den See. Da die Anlage nur einmal quer über den See geht, bremst die Winch kurz vorm Ufer ab und beschleunigt neu in die andere Richtung. In der Zeit muss man irgendwie mit seinem Schwung auskommen und wenden. Obwohl viele Anfänger Schwierigkeiten damit haben, klappte es bei mir auf Anhieb und ich drehte mehrere Runden am Stück über den See.. ein riesen Spaß! Wann immer ihr in Litauen seid, besucht diese Anlage! Der Besitzer ist ein super netter Typ!

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Ähnlich wie das autonome Hippie-Viertel in Kopenhagen “Christiania”, hat das Künstlerviertel Užupis seine Unabhängigkeit von Vilnius und Litauen erklärt. Die Republik Užupis hat ihre eigene Flagge, Währung, Präsidenten, Verfassung (siehe unten) und eine 12 Mann starke Armee, die aber wieder auflöst wurde weil keiner Angst vor ihr hatte. Betritt man Užupis, weist ein Schild auf die wichtigsten Grundregeln hin, unter anderem “Keep Smiling” (dem Präsidenten missfällt der mürrische Gesichtsausdruck vieler Menschen) und ein generelles Tempolimit von 20 km/h.

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Die Republik Užupis und die wichtigsten Regeln

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"Backpacker-Jesus", eine der vielen Skulpturen in Užupis

Die Verfassung von Užupis:

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Mein Weg durch Litauen führte nach Kaunas, Litauens zweitgrößter Stadt mit einem schönen historischen Zentrum. Bis einschließlich Kaunas hat mich Litauen eher enttäuscht, daher lag es eigentlich nahe von Kaunas schnell über die polnische Grenze zu radeln. Aber ich wollte Litauen noch eine Chance geben und entschloss den großen Umweg (ca. 2 Tagesetappen mehr) über Vilnius zu fahren – und es hat sich gelohnt!

Vilnius ist eine wunderschöne Stadt mit einer verhältnismäßig großen Altstadt und über 50 Kirchen. Im Gegensatz zu Riga und Tallinn ist der Stadtkern weniger gedrungen und die Stadt scheint viel weniger Touristen anzuziehen. Es war ein seltener Genuss in der Stadt zu sein und aufgrund der Weitläufigkeit trotzdem durchatmen zu können. Entgegen meiner ursprünglichen Plans verweile ich nun schon den dritten Tag hier mit netten Menschen (auch Litauern!). Morgen solls entlang der weissrussischen Grenze weiter Richtung Polen gehen, aber das habe ich gestern auch schon gesagt.

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Bisher ist es mir nirgendwo so schwer gefallen mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen wie in Litauen. Viele Litauer wirken verschlossen, mürrisch oder melancholisch. Grüße oder lächel ich, werde ich meist nur entgeistert angeschaut. Auf Wikitravel fand ich folgende Textstelle, die meine Erfahrungen – vielleicht etwas überspitzt – bestätigt:

“Lithuanians may appear sad, depressive (suicide rates in Lithuania are among the highest in the world), a little bit rude and suspicious, so talking about your good health, wealth, and happiness could be sometimes taken negatively. Smile at a Lithuanian in the street and most likely they will not respond in kindness. Smiling in Lithuania is traditionally reserved for friends; smile at a stranger and they will either think you’re making fun of them and there’s something wrong with their clothes or hairdo, or that you must be an idiot.”

Ich habe lange probiert das Verhalten mit der Geschichte Litauens und dem Lebensstandard zu begründen. Letztendlich sind mir aber mindestens genauso viele Gegenbeispiele eingefallen, dass eben diese Faktoren nicht mit dem Wohlergehen und der Lebensfreude korrelieren. Und wem schadet ein Lächeln und eine positive Lebenseinstellung schon?

In Tromsø kaufte ich mir das Buch “Thinking, fast and slow” von Daniel Kahneman – sehr zu empfehlen. Kahneman zitiert dort viele spannende Studien, unter anderem auch Untersuchungen, wie der Gesichtsausdruck die Wahrnehmung und Bewertung der Umwelt beeinflußt. Um einen lächelnden oder mürrischen Gesichtsausdruck zu simulieren, sollten die Probanden einen Stift auf zwei unterschiedliche Arten in den Mund nehmen: Der Stift quer zwischen den Zähnen entspricht einem Lächeln; wird der Stift mit der Spitze nach vorne zwischen den Lippen gehalten, scheint der Gesichtsausdruck mürrisch. Anschließend wurden verschiedene Situationen gezeigt und die Probanden sollten diese bewerten. Die Ergebnisse sind eindeutig: Insgesamt führt der lächelnde Gesichtsausdruck zu einer Wahrnehmung, die deutlich optimistischer, heiterer, positiver etc. ausfällt. Das heißt mit einem Lächeln beglücken wir nicht nur unsere Mitmenschen, sondern bereichern auch unser Leben!

Also liebe Litauer: Lacht doch mal! Oder schiebt euch einen Stift zwischen die Zähne, aber bitte quer :)