Eigentlich wollte ich von Rovaniemi auf möglichst direktem Wege weiter nach Helsinki. Aber ständig treffe ich Menschen, die mir neue Ecken und Orte Finnlands empfehlen, besonders den äußerten Osten, der noch wilder, hügeliger und schöner sein soll. So radel ich momentan entlang der russischen Grenze Richtung Süden und genieße immer mehr die scheinbar monotone Natur Finnlands.

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Letzten Sonntag erreichte ich nach 12 Wochen eifrigen Pedalierens wieder Aachen – den Start- und Endpunkt meiner Reise. Aber angekommen? Noch lange nicht :)
In einem (sehr angenehmen) “posttraumatischen” Zustand verlangt mein Körper weiterhin nach der täglichen Dosis Radeln, Fahrtwind und Natur.
Ein Resümee zu formulieren wird der Reise wohl kaum gerecht, deswegen beschränke ich mich hauptsächlich auf die harten Fakten. In jedem Fall waren es 12 Wochen voller wunderschöner Landschaft, unglaublich netter Menschen und jeder Menge Schweiß & Freude.

Die Fakten:

Dauer: 12 Wochen – 38 Tage Norwegen, 19 Tage Deutschland, 16 Tage Dänemark, 11 Tage Schweden
Regentage:
< 10 Tage, das Glück war auf unserer Seite
Zeit im Sattel:
300 h
Gesamtkilometer: 5’300 km und sicherlich auch einige Höhenmeter :)
Tageskilometer:
meist entspannte Etappen zwischen 20 und 110 km
Budget:
zwischen 10-15 € pro Tag, Norwegen war dabei die treibende Kraft
Fahrradpannen:
Ständerbruch in den ersten Wochen und eine Reifenpanne für die Statistik, ansonsten lief der Hobel rund :)
Körperliche Blessuren:
die wenigsten Körperstellen blieben von Mücken verschont, dazu ein gemeiner Bienenstich am Allerwertesten und der Muskelkater sowie schmerzende Hintern meldete sich bis zum Schluss immer mal wieder. Körpergewicht: -5 kg, Bart: +40 mm
Übernachtungen:
in Deutschland überwiegend auf Höfen und teilweise auf Campingplätzen, in Dänemark wild und auf Shelterplätzen, in Schweden und Norwegen immer wild bis auf Oslo und Bergen
Längste Zeit ohne Dusche:
ca. 2-3 Wochen. Ein Bach, Wasserfall oder See war aber meistens nah.

Highlights:

Land: Norwegen!
Städte:
Kopenhagen, Bergen, Hamburg
Natur:
Norwegen!
Menschen:
Überall traf man unglaublich nette, gastfreundliche und inspirierende Menschen, die einen wichtigen Teil der Reise ausmachen.

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Ein wenig abgerockt aber gut drauf :)

Seit Montag bin ich nun in Rovaniemi. Hier ist es so unfassbar heiß, so heiß wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zum Glück liegt die Stadt direkt am Fluss – meinem Lieblingsort im Moment.

Die Ruhetage hier waren nicht ganz freiwillig. Da mein Zeltboden nicht wasserdicht ist, habe ich Sport Spezial in Aachen kontaktiert und die Jungs haben sich darum gekümmert, dass der Hersteller mir ein neues Innenzelt nach Finnland schickt. Hammer! Heute habe ich nach viel Gedöhns das Zelt dann im Paketzentrum abholen können und es ist dicht. Yeah!

Die Tage verbrachte ich daher größtenteils mit Faulenzen und Essen.. Auch mal schön! Und endlich ist es soweit, es ist Blaubeeren-Zeit! Unten seht ihr meinen heutigen Schlafplatz irgendwo im Wald. Das ganze Grünzeug am Boden sind Blaubeerpflanzen. Ich muss also nur das Zelt öffnen und kann die Beeren pflücken. Heute morgen hat übrigens ein Rentier zum ersten mal probiert in mein Zelt zu kommen.. So schnell war ich selten wach :)

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Lappland, der äußerte Norden Finnlands hats mir voll gegeben! Nach zwei Tagen mit leichtem Regen waren die Radelbedingungen eigentlich ideal: Temperaturen um die 15 Grad, trocken, leicht bewölkt und windstill. Eigentlich! Denn auch die Mücken genossen dieses Wetter und waren überall. Rast war unmöglich, da sich direkt Wolken von Mücken auf mich stürzten. Teilweise waren soviele Mücken vorm Gesicht, dass mir das Atmen schwer fiel. Nicht mehr ich bestimmte den Tagesrhythmus, sondern die Mücken!

Die folgenden zwei Tage (über)lebte ich mit folgenden Grundsätzen:
#1 Lieber schwitzen als bluten: Möglichst jede Körperstelle mit Klamotten bedecken
#2 Keep moving: Das beste Mittel die Mücken los zu werden ist Bewegung
#3 Be prepared: Jede unnötige Rast kostet Blut, also immer im Voraus planen um Stillstand zu vermeiden

Mein Tagesablauf sah also wie folgt aus:
Ich wachte morgens im hoffentlich mückenfreien Zelt auf und konnte schon die Scharen an Mücken am Moskitonetz sitzen sehen. Also probierte ich möglichst alle Aktivitäten im Zelt zu erledigen – Frühstücken, Waschen, Zähne putzen und die Taschen zu packen. Bevor ich das Zelt verließ, zog ich alle langen Klamotten an und sprühte die freien Körperstellen mit Anti-Brumm ein. Der Zeltauf- und abbau ist immer besonders schlimm, da ich hierbei nicht rumlaufen kann. Ich half mir mit wildem Rumfuchteln und Fluchen.
Ein weiterer kritischer Moment ist das Pinkeln. Hierbei entwickelte ich folgende Taktik: Möglichst längere Zeit an einer Stelle stehen bleiben, warten bis sich dort viele Mücken sammeln, los rennen und beim Laufen schon den Hosenstall öffnen. Sobald man steht bleiben nur wenige Sekunden, wenn also der Druck nicht direkt ausreicht, schnell wieder einpacken bevor der Allerwerteste von allen Seiten zerstochen wird.
Dank der Mücken bin ich aber verdammt flott geworden; Innerhalb von 10 Minuten ist alles gepackt und am Fahrrad verstaut.
Nun heißt es möglichst pausenlos radeln, radeln, radeln.. Zwischendurch schnell ein paar Bananen verdrücken und weiter radeln. Werden die Beine müde, suchte ich einen möglichst windigen Platz für die Nacht und probierte das Zelt so aufzubauen, dass möglichst keine Mücken es ins Innenzelt schafften. Gekocht und entspannt wurde dann im Zelt.
Ich bin heilfroh, dass nach den zwei Tagen endlich wieder Wind aufkam. Auch wenn der Wind jetzt stets von Süden mir ins Gesicht bläßt, ist mir dies deutlich lieber als die Mückenplage zuvor. Einheimische versicherten mir zudem, dass es im Süden stetig weniger Mücken werden. Puh!

Mal wieder geht’s ins neue Land über einen Fluss. Die erste freudige Überraschung in Finnland war der Supermarkt hinter der Grenze. Das Preisniveau ist zwar noch etwas höher als in Deutschland, aber vieeel günstiger als Norwegen. Daher schlemme ich im Moment wie ein König :)

Landschaftlich ist es größtenteils wie erwartet: Viele Bäume, endlos lange Straßen und kaum Menschen. Nur flach ist es nun wirklich nicht. Nach den ständig wechselnden und spektakulären Kulissen in Norwegen hat das Radfahren hier eine andere Qualität. So bin ich momentan auf einer 200 km langen Straße zwischen Inari und Kittilä unterwegs. Dazwischen ist so gut wie nichts – keine nennenswerten Ortschaften, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Tankstelle. Hier treffe ich momentan definitiv mehr Rentiere als Menschen.

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Nach 7 Wochen Norwegen ist es soweit – die E6 führt mich immer näher an die finnische Grenze. Die Mitternachtssonne scheint dieses mal ganz ungewohnt von hinten. Aber Norwegen hat noch eine letzte Überraschung: Eine Elchkuh trottet mit ihren zwei Jungen nur wenige Meter von der Straße entfernt durchs Fjell. Wow!

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