Letzten Sonntag erreichte ich nach 12 Wochen eifrigen Pedalierens wieder Aachen – den Start- und Endpunkt meiner Reise. Aber angekommen? Noch lange nicht :)
In einem (sehr angenehmen) “posttraumatischen” Zustand verlangt mein Körper weiterhin nach der täglichen Dosis Radeln, Fahrtwind und Natur.
Ein Resümee zu formulieren wird der Reise wohl kaum gerecht, deswegen beschränke ich mich hauptsächlich auf die harten Fakten. In jedem Fall waren es 12 Wochen voller wunderschöner Landschaft, unglaublich netter Menschen und jeder Menge Schweiß & Freude.

Die Fakten:

Dauer: 12 Wochen – 38 Tage Norwegen, 19 Tage Deutschland, 16 Tage Dänemark, 11 Tage Schweden
Regentage:
< 10 Tage, das Glück war auf unserer Seite
Zeit im Sattel:
300 h
Gesamtkilometer: 5’300 km und sicherlich auch einige Höhenmeter :)
Tageskilometer:
meist entspannte Etappen zwischen 20 und 110 km
Budget:
zwischen 10-15 € pro Tag, Norwegen war dabei die treibende Kraft
Fahrradpannen:
Ständerbruch in den ersten Wochen und eine Reifenpanne für die Statistik, ansonsten lief der Hobel rund :)
Körperliche Blessuren:
die wenigsten Körperstellen blieben von Mücken verschont, dazu ein gemeiner Bienenstich am Allerwertesten und der Muskelkater sowie schmerzende Hintern meldete sich bis zum Schluss immer mal wieder. Körpergewicht: -5 kg, Bart: +40 mm
Übernachtungen:
in Deutschland überwiegend auf Höfen und teilweise auf Campingplätzen, in Dänemark wild und auf Shelterplätzen, in Schweden und Norwegen immer wild bis auf Oslo und Bergen
Längste Zeit ohne Dusche:
ca. 2-3 Wochen. Ein Bach, Wasserfall oder See war aber meistens nah.

Highlights:

Land: Norwegen!
Städte:
Kopenhagen, Bergen, Hamburg
Natur:
Norwegen!
Menschen:
Überall traf man unglaublich nette, gastfreundliche und inspirierende Menschen, die einen wichtigen Teil der Reise ausmachen.

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Ein wenig abgerockt aber gut drauf :)

Letzen Montag habe ich wieder die deutsch-dänische Grenze passiert. Die dänische Westküste hatte mit schönen Küstenabschnitten, einem Bienenstich im Allerwertesten, mit Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks, und mit tollen Begegnungen mit anderen Reisenden noch einiges zu bieten.

Mit dem Beginn des Wattenmeers führen die Radwege überwiegend entlang der Deiche auf ewig flachem Land wo die Schafe meine ständigen Begleiter sind. Schöne Strände sind hier rar, so dass ich gestern einen Abstecher nach St. Peter-Ording machte um dort noch mal ins Meer zu hüpfen.

Die letzte Nacht habe ich auf dem Hof von Nadja&Arne verbracht, mit denen ich eine total schöne Zeit hatte und wo ich mir die Wiese mit 30 Schafen und 3 Pferden teilte. Arne empfahl mir noch, den kleinen Umweg über das benachbarte Wacken zu machen, wo diese Woche alles im Zeichen des Heavy-Metall steht. Durchaus eine lohnenswerte Erfahrung, auch wenn ich froh war die schwarz umhüllten Menschenmassen wieder hinter mir zu lassen.

Gegen Abend erreichte ich bei Glückstadt die Elbe und werde dann morgen nach Hamburg radeln, wo wir bereits vor knapp elf Wochen auf dem Weg Richtung Norden waren und sich für mich somit die Route schließt.

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Ausflug in eine andere Welt

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Deiche, Schafe und immer am Wasser entlang

Zwischen Hanstholm und Agger erstreckt sich der Nationalpark Thy, die – der Aussage einiger Dänen zufolge – schönste Landschaft Dänemarks. So urig hätte ich mir Dänemark nicht vorgestellt: entlang trockener Dünenlandschaften und Nadelwälder radelt man lange Strecken ohne ein Anzeichen von Zivilisation und passiert immer wieder kleine Seen. In dem Nationalpark gibt es zudem sehr viele von den “Shelter-Plätzen”, kleine Lichtungen mit Feuerstelle und Unterstand, wo man übernachten kann und zu dieser Zeit viele Reisende trifft – es ist echt immer eine gute Stimmung dort.
Für mich geht es jetzt von Ringkøbing aus weiter die immer deutscher werdende Westküste hinunter, bis ich voraussichtlich gegen Ende der Woche die deutsch-dänische Grenze erreiche.

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Dänemark empfing mich in all seiner Flachheit mit viel Sonne und langen Sandstränden. Berge sucht man hier so vergeblich wie offenes w-lan und meine Beine kamen schnell in Urlaubstimmung. Die Radwege führen hier größtenteils über Schotterwege durch Dünen- und Heidelandschaften wo das radeln unglaublich viel Spaß macht. Ab und zu passiert man kleine Touristenorte, in denen sich die Menschen suhlen oder schnurgerade Straßen, die komplett eben im Horizont verschwinden.

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Leuchtturm “Rubjerg Knude”. Mit 90 Metern über dem Meeresspiegel also alpine Verhältnisse für Dänemark.

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Dänische Aussichten – Nordseeküsten-Radweg durch die Dünenlandschaften

Für die letzten Tagesetappen zeigte sich Norwegen doch nochmal von seiner schönsten Seite – der gnadenlos hügligen. Ein ständiges Auf und Ab ließ einem kaum Verschnaufpause. Bei viel Sonnenschein und der unglaublich schönen Schärenlandschaft rückten die Anstrengungen jedoch schnell in den Hintergrund.

Gestern machte ich noch den kleinen Abstecher an Norwegens südlichsten Landzipfel, markiert durch den Leuchtturm Lindesnes fyr. Dort traf ich dann auch einen Reiseradler der die dort markierten 2518 km vom
Nordkap bis Lindesnes gerade hinter sich gebracht hatte – stattlich!

Heute Mittag kam ich in Kristiansand, meinem letzten Etappenziel in Norwegen an. Bevor ich Samstag mit der Fähre nach Dänemark übersetzen werde, ist also noch genug Zeit die Stadt zu genießen und mich von Norwegen zu verabschieden. Ein wirkliches Resümee zu Norwegen zu formulieren fällt mir derzeit noch schwer, viel zu überwältigend und vielfältig sind die Eindrücke gewesen. Nichtsdestotrotz freue ich mich auch auf das flache Dänemark und bin gespannt was mich dort erwartet :)

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Jøsingfjord mit unentschlossenem Wetter

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Lindesnes #1

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Lindesnes #2

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Der Süden wäre somit erobert, den Norden überlasse ich Dir, Lux :)

Südlich von Stavanger erstreckt sich Jæren, eine flache Küstenlandschaft mit weißen Sandstränden. Mit ständigem Blickkontakt zum Wasser und ebenen Pisten fliegt man nur so dahin – ein Mordsspaß!

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“Frilufthuset” – Norwegens längster Sandstrand

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Das “andere” Norwegen – weite Dünenlandschaften und weiße Sandstrände

Von Bergen aus führte meine Route über die kleinen Inseln Tord und Bømlo nach Haugesund, einer netten Fischerstadt mit gerastertem Straßennetz im Zentrum und pinkfarbenem Rathaus. Das radeln auf den Inseln macht unglaublich viel Spaß, da sich schmale, kurvige Straßen durch die mittlerweile recht flache aber dennoch sehr felsige Landschaft schlängeln und dort kaum Verkehr herrscht.
Von der Insel Karmøy ging es dann per Fähre direkt nach Stavanger. Mit der Vorstellung eines durch die Ölindustrie geprägten Stadtbildes lag ich relativ falsch, lediglich ein Erölmuseum im Zentrum der Stadt lässt darauf schließen, was entlang der Nordseeküste Norwegens industriell passiert. Nachdem ich den Tag über die Stadt erkundet hatte und mir am Abend einen Schlafplatz suchte, traf ich Sigrun&Per, ein Missionarspaar aus Madagaskar, die mich zum Essen einluden und mit denen ich einen wirklich interessanten Abend hatte.

In der Nähe Stavangers gibt es den “Preikestolen” (Predigerstuhl) zu sehen, einem Felsplateau am Lysefjord, dessen Kante gut 600 m senkrecht bis zum Fjord abfällt. Die etwa 1,5-stündige Wanderung dort hinauf führte durch eine unwahrscheinlich schöne Landschaft, der Wanderweg glich jedoch einer Ameisenstrasse von Touristen, an dessen Ende der Aussichtspunkt als ein gigantisches Fotostudio funktioniert. Trotzdem sehr schön!
Entlang der alten Küstenstraße 44 pedaliere ich nun die nächsten Tage in Richtung Egersund und Lindesnes, dem südlichsten Punkt Norwegens, bevor es weiter nach Kristiansand geht.

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Von meinem Zelt konnte ich theoretisch bis England schauen – Bømlo.

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Bucht mit Sandstrand auf Karmøy.

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Im Hafen von Stavanger.

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Blick vom Preikestolen auf den Lysefjord

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Prächtiger Felsen – Preikestolen

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Schlafplatz am See auf der Mini-Insel Idsa – Mitternacht

Vermutlich hätte ich für die letzten 3 Tage auf jegliches Kartenmaterial verzichten können. Der ständige Regen ließ keinen Zweifel, dass ich mich meinem Etappenziel Bergen, der regenreichsten Stadt Norwegens nähere. Um Zelt, Schuhe und Kleidung trocknen zu können, gönnte ich mir in Bergen den Luxus eines Hostelaufenthaltes. Dort traf ich Jens, einen Tramper aus Kopenhagen, mit dem ich am nächsten Tag bei bestem Wetter das wirklich schöne Zentrum von Bergen erkundete.
Meine weitere Route führt mich nun über viele Inseln entlang der Westküste in Richtung Stavanger.

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Einen Tag nachdem wir in getrennte Richtungen weitergeradelt sind, erreichte ich die norwegische Westküste bei Ålesund. Die Stadt erstreckt sich über viele kleine Inseln die über Tunnel miteinander verbunden sind. Diese sind für Fahrräder leider gesperrt, glücklicherweise treffe ich jedoch zwei Einheimische die mich zu einer Spritztour über die Inseln einladen und mit denen ich einen super Abend verbringe.

Von Ålesund aus strampel ich weiter entlang der Küste in Richtung Süden. Da die Küste durch die Fjorde total zerklüftet ist, schlängelt sich die Route sehr und man ist immer wieder auf kurze Fährfahrten angewiesen. Landschaftlich erinnert die Küste hier etwas an die schwedischen Schären, mit etwas weicheren und weniger wilden Bergen als im Landesinneren.

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Blick auf das Zentrum von Ålesund

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Schlafplatz an einer Bucht in Ålesund

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Nebelsee bei Åheim

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Was ein prächtiger Türsteher!

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Fjordlandschaft

Nachdem wir heute vormittag einige Ecken der Stadt erkundet haben, gefällt es uns hier recht gut. Das liegt nicht zuletzt an den Riesenzimtschnecken, auf die wir in einem gemütlichen Café gestoßen sind. Nachdem wir zwei davon verputzt haben, ist es für uns die bisher beste Art, kurze Regenschauer zu überbrücken.

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