Es war ein mühsamer, steiler Anstieg auf über 3200 m mit den miesesten Pisten, die ich bisher  auf dem Fahrrad erlebt habe. Und es war Birks erster Pass! Celebration mit Ross und Alessia, mit denen wir seit 4 Tagen gemeinsam radeln. Sie radeln übrigens von London nach Australien und machen tolle Fotos, Videos und Blogs ihrer Abenteuer unter www.rollingeast.com, Facebook, Instagram, YouTube… Schaut mal rein. Foto Credits gehen an Ross.

Nun geht’s also wirklich los. Nicht wirklich ausgeschlafen aber hochmotiviert treffen wir die letzten Vorbereitungen für die ersten Tage. Alle Schrauben, Schläuche und Mäntel werden gecheckt. Wir füllen Wasser und Essen auf und sagen uns dann nur noch: Ab geht das Abenteuer.
Wir haben uns für die anspruchsvollere aber angeblich schönere Nordroute nach Kalaikhum entschieden. Wir fahren los auf den berühmten Pamir Highway M41, der direkt in Dushanbe startet. Und anfänglich trägt er wohl seinen Namen Highway zurecht. Vierspurig in beide Richtungen führt uns dieser  raus aus der Hauptstadt. Und sofort fallen und zwei Sachen im tadjikischen Straßenverkehr auf:
Es gibt offensichtlich keine Verkehrsregeln. Rückwärtsgang mitten auf der Schnellstraße? Klar, kein Problem!
Die Tadjiken sind durchaus rücksichtsvoll. Kein Mal haben wir einen Tadjiken gesehen der ohne zu schauen aus einer Parklücke fuhr oder ohne zu hupen  uns überholte?.
Die Hitze wird zunehmend drückend, weshalb wir eine kleine Pause im Schatten einlegen. Währenddessen kommen die zwei Pärchen aus dem Hostel (Lena&Stephan und Ross&Alessia) an uns vorbei. Alle auf der Suche nach Wasser. Nicht ahnend, dass wir doch noch viel Zeit miteinander verbringen werden.
Nach einer guten Stunde heißt es: Roll On. Gestärkt fahren wir weiter und kommen nach ca. 20 km erneut zum stehen. Eine tadjikische Bauernfamilie winkt uns zu sich heran und lädt uns zum Essen ein. Mit Gedanken im Kopf nichts ungeschältes oder ungekochtes zu Essen hauen wir trotzdem richtig rein. Und es ist unglaublich lecker. Man schmeckt die Sonne in den Früchten. Es entsteht eine muntere Plauderei über unsere Herkunftsländer. Zur Krönung wird Musik aus den 80ern gespielt: Modern Talking? . Die ganze Straße wird beschallt. Nach einer Tour über die Felder der Familie setzen wir uns gestärkt wieder in Bewegung.
Nach kurzer Zeit kommt ein erster Anstieg vor dem wir kurz anhalten. Auf einmal sind wir zu sechst. Die zwei Pärchen sind wieder da. Wir radeln eine Weile gemeinsam, schlagen unsere Nachtlager jedoch getrennt auf.
Nach einer ruhigen ersten Nacht zwischen Birkenbäumen geht es weiter. Nach kurzer Zeit erreichen wir den ersten Polizei Kontrollpunkt. Nicht verwunderlich, denn hier beginnt der Autonome Oblast Berg-Badachschan(GBAO). Ab jetzt radeln wir kontinuierlich zu sechst.
Nach mehreren Kilometern asphaltierter Straße zeigt das Navi unbeständige Straße an. Kurz darauf geschieht es: Schotter wohin das Auge reicht. Nun wir es anstrengend. Ständiges Auf und Ab zerrt an den Nerven. Gegen 17.45 schlagen wir unser Nachtlager am Wegesrand auf. Zugestaubt und ungeduscht gibt’s Abendessen und danach das wohlverdiente Bettchen.
Am nächsten Morgen fahren wir gut einen Kilometer bis wir eine Quelle direkt an der Straße entdecken. Duschen ist angesagt. Lukas geht gleich in voller Montur baden, die Anderen ziehen sich immerhin noch das T-Shirt aus. Frisch und wach nehmen wir die nächsten Kilometer in Angriff. Die Landschaft wird hügliger aber auch hinter jeder Kurve schöner.

Am nächsten Polizei Checkpoint begegnen wir einem Van mit der Aufschrift FREE CANDY. Wir schauen auf das Kennzeichen: Österreich. Vier Jungs aus Österreich bei der Mongol-Ralley. Aber es gab tatsächlich kostenlos Süßes.
Nach der kurzen Stärkung geht’s weiter. Jetzt durch tiefe Schluchten. In denen ich kurz mein Navi verloren habe, es jedoch nach einer Suchfahrt wiedergefunden habe. Der Weg wir immer bescheidener und hügeliger. Wir müssen zum ersten Mal den Wasserfilter einsetzen, da es keinen Laden weit und breit gibt. Dafür finden wir einen exzellenten Zeltplatz. Wo wir diesmal zu siebt übernachten. Sten aus Thüringen leistet uns Gesellschaft.
Am nächsten Tag wollen wir bis zum Fuße des Anstiegs zum Pass kommen. Wir erhöhen etwas die Schlagzahl, da es Lena nicht so gut geht und sie mit Stephan im nächst größeren Dorf eine Pause einlegen wollen. Bevor wir jedoch selbst das Dorf erreichen passiert es. Lux’ Kette bleibt im Umwerfer hängen und meint sich spalten zu müssen. Und als wäre die Kette nicht genug, hat es den Umwerfer direkt auch unbrauchbar gemacht. Wie gut dass es eh nur bergauf geht?.

Pannenreparatur: 3…2…1…Gute Laune!?

Lux’ neuer Umwerfer?

Wir decken uns in dem Dorf derweil mit Lebensmitteln ein, da es den besten Supermarkt weit und breit hat. Die Bedienung spricht sogar fließend deutsch.
Wir entscheiden uns ca. 5km hinter dem Dorf zu Campen.

An Tag 5 wollen wir bis kurz unter den Pass kommen. Wir entscheiden uns bis auf 2500m zu radeln. Dort ist ein vielversprechendes Dorf und möglicherweise ein kleiner Lebensmittelladen. Auf dem Weg hoch klappt uns zwischenzeitlich die Kinnlade runter. Anstrengende Straßen werden mit atemberaubenden Landschaften belohnt. Nach einem Bad im Bergbach schaffen wir es bis zum Dorf. Doch Lebensmittelladen Fehlanzeige! Stattdessen drückt uns ein Einwohner 2 kg Brot in die Hand: Geil! Auf der Suche nach einem Zeltplatz erreichen wir einen weiteren Polizei Checkpoint. Zeitgleich kommt eine Gruppe holländischer Motrorradfahrer an und erzählt uns, dass Sie gerade direkt aus Dushanbe kommen. Mit Begleitfahrzeug und null Gepäck: Toll…
Unser Schlafplatz fällt mies aus. Auf einem Feld voller Kuhmist muss das Zelt stehen. Dennoch ist es eine angenehme Nacht.

Tag 6 bedeutet Gipfelsturm. Wir nehmen die letzten 700hm in Angriff. Bei 10km heißt das konstant 7% Steigung. Nach knurrenden Hirtehunden und Pferde-, Kuh- und Ziegenherden erreichen wir glücklich den Pass auf 3258m Höhe. Wir haben uns die Mittagspause verdient!
Nun beginnt der Abstieg. Mit Vorfreude auf ein gemütliches Rollen-Lassen kommt recht schnell die Erkenntnis, dass der Abstieg härter wird als der Aufstieg. 100% Konzentration und eine Bewährungsprobe für Mensch und Material. Wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Die Straße darf man nicht Straße nennen. Es ist eine Zumutung. Aber wir werden alsbald mit atemberaubenden Klippen, Schluchten und bergen belohnt. Wir halten oft an, nur um die Aussicht zu genießen.

Am Ende der Straße wartet ein Kontrollpunkt auf uns. Hiernach geht es wieder entspannter zur Sache. Mit einem türkisblauen Fluß an unserer Seite kommen wir unversehrt in Khaleikhum an. Erstmal in den Supermarkt. Nach 5 Tagen schauen was man bekommt, ist man nun im Paradies. Es gibt alles! Wir decken uns mit dem Gedanken an eine Weiterfahrt ein. Dazu kommt es jedoch nicht, da wir mit Alessia und Ross ein Bierchen getrunken haben. Das hat uns so aus den latschen gehauen, dass wir uns entschieden haben im Hotel Energie zu tanken. Morgen geht’s es weiter Richtung Khorog.

By the way, we love Banana Brot. 



 

Die Nervosität steigt, die Vorfreude jedoch ist berauschend. Nach einer entspannten Nacht und ein paar Stunden Autofahren, treffen Lux und ich uns am Frankfurter Flughafen. Mit zwei großen Kisten und zwei Kleinen Gepäcktaschen im Anschlag geht’s zum Check-In.

Nach einem netten Pläuschchen mit Mitarbeitern der US-Botschaft in Dushanbe und ein paar Tipps für die Tour geben wir endlich auch unser Gepäck auf. Die Angst vor Übergepäck zerstreut sich recht schnell nachdem 2 Frauen vor uns ca. 300kg extra aufgegeben haben. Die Dame am Schalter war offensichtlich etwas geschockt und wollte unsere Kisten einfach schnell einchecken.

woohoo, ab geht’s!

Ein Radler zum Einstand

Der Flug geht um 18:40. Ein Abendesse, mini Dessert und ein paar Instantkaffee später landen wir in Dushanbe. Es ist nun 5 Uhr morgens Ortszeit. In einem Zustand zwischen Übermüdung und Hyperaktivität stellen wir erfreulicherweise fest, dass die Drahtesel die Reise unbeschadet überstanden haben. Nachdem wir den Stempel im Pass hatten geht’s nach draußen. So, erstmal Rad zusammenbauen. Schon nach kurzer Zeit bildete sich eine große Menschentraube, interessiert was wir da so machen. Bei der Ansage, dass wir das Pamirgebirge durchfahren wollen gab’s nur einen kurzen Lacher.

6Uhr morgens: Wir sind startklar!

Radtest um 6 Uhr morgens

Mittlerweile hell legen wir die ersten 2km zum Hostel zurück. Angekommen fallen wir erschöpft ins Bett.

Mittags plauschen wir noch mit anderen Radfahrern. Z.B. Einem Pärchen aus Hamburg was schon 5,5 Monate unterwegs sind. Direkt werden kleinere Reisetipps ausgetauscht. Unsere Entscheidung fällt uns Montag gegen 8 auf den weg zu machen um den kühlen Morgen zu nutzen.

Ein Spaziergang durch die Stadt und leckeres Abendessen geht es nun ins Bett.

Mal schauen wie die Internetlage auf der Route ist. Wahrscheinlich gibt’s das nächste Update erst in 1,5 Wochen.

Viele Grüße

Birk

Es ist jetzt schon 6 Wochen her dass Lukas und ich uns in Marmaris voneinander verabschiedet haben. Während er Rhodos mit den Rad erkundete ging es für mich aufs Boot – eine Woche Urlaub mit meiner ganzen Familie. Der Kontrast zum vor allem körperlich anstrengenden Rad Alltag war heftig – plötzlich waren nicht mehr die Schlafplatz-suche oder Routenplanung wichtige Ziele des Tages, sondern die Frage wie man es schaffen kann zwischen den reichhaltigen und unfassbar köstlichen Mahlzeiten ein Hungergefühl zu entwickeln.

Es war eine Woche luxuriöses Seele baumeln lassen – für meine (von der Sonne vernachlässigten) Familie eine wichtige Erholung und Stärkung für den kalten deutschen Winter. Als Familie hatten wir glaube ich selten so viel Spaß miteinander. Ich war traurig und fühlte mich ein bisschen verloren als ich mich wieder auf den Weg machte. Nach der Zeit mit Lukas, der in den letzten Monaten ja immer bei mir war, über diese wunderschöne Woche mit meiner Familie war das Radeln ohne Begleitung und besonders ohne konkrete Route sehr ungewohnt.

Ganz alleine unterwegs zu sein ist doch sehr anders. Es ist natuerlich total unabhaengig, was schoen ist. Aber es kann auch sehr anstrengend sein, weil man sich nicht mal eben hinter seinem Reisepartner verstecken kann. Und auf unbestimmte Zeit alleine zu sein verstärkt dieses Gefühl, weil man eben nicht nur eine kurze Zeit ohne Begleitung ‘überbrücken’ muss. Ich war zwar nicht planlos – mein Ziel war Molyvos auf Lesbos, wo ich bis Weihnachten als Volunteer arbeiten wollte, aber wie genau ich dort hin komme wusste ich nicht und meinen Lukas mit dem Planungs-Durchblick habe ich schnell vermisst.

Meine ersten Radreise-Versuche alleine waren Kiki-typisch chaotisch, aber zumindest weiß ich nun, dass mein Rad in einen Minibus passt. Und ich weiß wie es sich anfühlt sich bei Nacht mit dem Rad auf eine Autobahn zu verirren, oder das Handy-Gps auch ohne Wifi funktioniert und nützliche Informationen darüber geben kann wie man sich eben nicht Nachts mit dem Rad auf eine Autobahn verirrt und schlussendlich auch das es ab und zu lohnenswert ist sich Hosteladressen vorher aufzuschreiben, statt auf offene Wifi-Netze zu hoffen. Zum Glück gibt es treue Geschwister zu Hause und zahlreiche türkische Männer die mit Rat und Tat zu Seite stehen. Dass ich seit Lukas Abschied allerdings 3 Platten hatte finde ich unnötig (insbesondere angesichts meiner fehlenden Luftpumpe).

Um 2 Uhr nachts erreichte ich mein Hostel in Izmir: Shanti Home.
Der Name hält was er verspricht, Shanti Home ist nicht nur ein Hostel, es ist ein Platz zum bleiben und selten habe ich erlebt dass die Besitzer und das ‘Personal’ (der Begriff passt hier wirklich überhaupt nicht) so aufrichtig herzlich und willkommend sind. Der Ort ist Familie: Auf Donationbasis gibt es jeden Morgen ein riesiges Frühstück, die Küche und alles was es an Essen zu finden gibt ist für jeden frei verfügbar und ebenso Räder, Waschmaschine, Drucker, oder der Computer (alles Donation-based). Das Schöne ist, dass so ein Gefühl von zu Hause auch dazu führt, dass die Leute selber mithelfen, ein bisschen aufräumen, kochen und sich generell, aber irgendwie unterbewusst, mehr Zeit für einander nehmen.

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Izmir ist eine tolle Stadt, viele junge Leute, riesige Maerkte, verwinkelte Strassen und Gassen in denen Okey gespielt und Chai getrunken wird. Man kann endlos lang an der Hafenpromenade spazieren oder sich den ganzen Tag in der Innenstadt verlaufen. Und Strassenmusik! Richtig viel Strassenmusik. Ich habe mich mit Mert, eiem Couchsurfer getroffen und er hat mir viele besondere Ecken gezeigt.

Und doch hat es mich irgendwie gestresst in Izmir zu bleiben – schließlich wollte ich ja als Volunteer mithelfen auf Lesbos und nun hing ich schon 3 Tage in Izmir ‘rum’ – ohne etwas ‘Vernünftiges’ zu machen. Ich habe natürlich nicht nur rumgehangen oder Kaffee getrunken oder so, aber direkt den Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa geholfen habe ich auch nicht.

Im Nachhinein weiß ich meine Izmir-Woche aber sehr zu schätzen. Manchmal erfährt man den Grund für gewisse Schritte und Ereignisse in Leben erst im später und Ich liebe das weil man sich dann von Zweifeln und Fragen, z.B. ob man gerade die richtige Entscheidung getroffen hat, weniger verrückt machen lässt. Für mich war es der beste Ort für diese Zeit. Ich konnte über die vergangenen Monate nachdenken und mich innerlich von der Reise verabschieden – um offen ein neues Kapitel aufzuschlagen. Besonderes wertvoll waren die Begegnungen mit Willi und Urigul. Es waren unfassbar wertvolle, ruhige und herzliche Tage.

Am Ende war es aber dennoch derselbe Gedanke, der mich dann nach 6 Tagen Shanti auf den Weg nach Griechenland trieb. Wäre es nur um mich gegangen, das weiß ich, hätte ich länger bleiben sollen. Vielleicht wäre es sogar nötig gewesen länger zu bleiben. So aber fuhr ich mit dem Bus und viel schöner, neuer Musik auf den Ohren Richtung Ayvalik. Mein Fahrrad von nun an gewappnet mit dem Auge gegen den boesen Blick: Nazar Boncuk.

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