Nach 3 Wochen in Finnland bin ich Dienstag in Helsinki angekommen. Damit endet nicht nur die Zeit in Finnland sondern auch noch eine lange, intensive und wunderschöne Zeit in Skandinavien. Eins ist sicher: Ich werde wiederkommen!

Über Warmshowers (Couchsurfing für Radreisende) habe ich Antero und Kirsi kontaktiert, die mich herzlich für eine Nacht in ihrer Wohnung nahe des Zentrums beherbergt haben. Als ich Abends ankam konnte ich erstmal ausgiebig duschen und die Klamotten in die Waschmaschine werfen (die letzte Wäsche ist 7 Wochen her). Anschließend war bereits das Abendessen zubereitet. Köstlich! Antero ist selber schon viel durchs die baltischen Staaten sowie durch Polen geradelt und konnte mir viele Tipps für die kommenden Wochen geben. Ein spitzen Finale in Skandinavien!

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Temporäres Kunstwerk im Stadtzentrum, das mir sehr gut gefallen hat :)

Regen, Regen und zwischendurch kommt immer mal wieder die Sonne raus. Nach soviel Glück mit dem Wetter in Skandinavien ist das aber schon in Ordnung :) Gemein war nur der permanente und heftige Wind, der natürlich immer von vorne wehte und die langen Tagesetappen sehr erschwerte.

Ab Kuopio schlängelte mich durch kleinere Orte und den Nationalpark Leivonmäki zum zweitgrößten See Finnlands Päijänne, der südlich von Jyväskylä liegt. Entlang des Ostufers verläuft eine idyllische Straße die bis kurz vor Lahti führt; Von da aus sind es nur noch 100 km bis Helsinki. Jihaaa!

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Mal wieder Wälder und Seen, aber sehr schön! Zwischen den Bäumen wachsen überall Blaubeeren

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Uferstrasse entlang des Sees Päijänne

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Die Energiebilanz muss stimmen: 1 Liter Reis mit Pesto + 0,4 Liter Reis mit Kakaopulver als Nachtisch

Umgeben von unzähligen Seen liegt Kuopio, die mit 100000 Einwohnern wohl letzte größere Stadt vor Helsinki (noch ca. 400 km)..

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Blick über die Stadt vom Puijo Tower

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Nachtlager in Kuopio. Da ich keine Lichtung finden konnte, musste ich selbst Hand anlegen und ein paar Bäume entwurzeln ;)

Bisher habe ich in Finnland probiert möglichst die 3-stelligen Landstraßen zu nutzen, weil diese in der Regel asphaltiert und kaum frequentiert sind. Doch jedesmal wenn ein Stück Schotterpiste dabei war, hatte ich direkt mehr Spaß.. Einerseits passen die Straßen viel besser in die natürliche Umgebung und andererseits bin ich stets damit  beschäftigt Steinen und Schlaglöchern auszuweichen.

Also suchte ich mir nach Kuopio nur kleine Schotterwege raus. Bei trockenem Wetter rollt es sich auf diesen Wegen beinahe wie auf Asphalt, leider regnete es stark und so kämpfte ich mich 100 km durch nassen steinigen Sand. Nachdem ich von Schweiß und Regen durchnässt war, tauchte aus dem Nichts eine Hütte am See mit Steg, Feuerstelle, Feuerholz und Plumplsklo auf. Ein Traum, vorallem nach den Strapazen!

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Viele schöne Geschichten beginnen mit einem Kaffee oder beinhalten zumindestens welchen – so auch dieses Wochenende: Nachdem mir in Rovaniemi viele Finnen geraten haben nahe der russischen Grenze nach Süden zu radeln, passierte ich Samstag das Dorf Metsäkylän nahe Taivalkoski. Dort gab es einen kleinen Lebensmittelladen mit Café bzw. Bar. Bei so seltenen Chancen kann ich selten widerstehen, also stoppte ich für einen Kaffee.

Noch bevor der Kaffee eingeschenkt war, kam ich mit Veli ins Gespräch. Er war mit seiner Freundin unterwegs und entspannte in einem Cottage in der Nähe. Seine Freundin kümmerte sich um den Einkauf der Lebensmittel, er setzte sich zu mir in die Bar und trank sein morgendliches Bier. Da er lange Zeit in seines Lebens in der Gegend verbracht hat, konnte er mir viele Tipps und Routenempfehlungen geben. Zudem gab Veli mir einen Apfelcider aus und schrieb mir noch die Adresse von seiner Hütte auf, wo ich wohnen, saunieren und entspannen kann so lange ich möchte. Hammer!

Nach Velis zahlreichen Tipps verwarf ich wie so oft meine Pläne, saß im Café über den Karten und überlegte neu, wie ich die schönen empfohlenen finnischen Orte auf einer sinnvollen Route verknüpfen kann.. und mal wieder soll es noch weiter Richtung russische Grenze gehen.
Nachdem ich ein paar Worte mit Sulo, dem Inhaber der Bar, gewechselt hatte, fragte er mich, ob ich in die Sauna gehen möchte. Ja klar! Er rief seinen Neffen Sauli an und ließ ihn die Sauna anfeuern. Eine halbe Stunde später warfen wir mein Rad in den Bulli und fuhren zum Anwesen seiner Familie. Dort wohnt er mir seiner Frau Sirkku sowie seine Schwägerin Aini mit ihren 3 Kindern Henri, Sauli und Pauliina. Wunderschöne alte Holzhäuser (und ein eigenes Museum) mit Blick auf den See! Sauli fragte mich, ob ich lieber alleine oder mit Handtuch saunieren möchte. Auf keinen Fall, so original und finnisch wie möglich! Also saßen Sauli, Sulo und ich mit einem Sixpack Bier in der Sauna und sie zeigten mir, was eine wahre finnische Sauna ist. Ein Traum! Wieviel Zeit wir dort verbrachten kann ich nicht sagen, aber es waren mindestens 5 oder 6 Saunagänge und soviele, dass jeder Muskel meines Körpers tiefenentspannt war.

Anschließend war bereits das Abendessen zubereitet und die gesamte Familie versammelte sich in einem urigen Wohnzimmer voller bunter Teppiche. Was mir besonders gut gefallen hat: Sobald alle aufgegessen haben wird Kaffee und süßes Gebäck (unglaublich lecker) serviert und zwar zu jeder Tageszeit. So trank ich an dem Abend kurz vor Mitternacht den letzten Kaffee bevor ich mich im Gästezimmer schlafen legte.

Der nächste Morgen startete fantastisch. Wie jeden Sonntag gab es finnisches Reis-Porridge, das nicht süß sondern salzig ist und meist nur mit Butter oder Beerensuppe gegessen wird. Trotz anfänglicher Skepsis war ich begeistert und es schmeckt tatsächlich ganz anders als Milchreis. Eigentlich wollte ich nach dem Frühstück weiter radeln aber ich genoss die Zeit mit der Familie (und natürlich den Kaffee) so sehr, dass ich erst im späten Nachmittag Richtung Südosten aufbrach. Für mich war es eine wunderschöne Erfahrung so herzlich in die Familie aufgenommen zu werden und viel über das Leben und die Geschichte der Finnen zu lernen. Irgendwann werde ich sie nochmal besuchen, hoffentlich im Winter auf dem Schneemobil bei klarem Himmel und Nordlichtern :)

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Sulo, Sauli, Ich, Pauliina und Aini. Ich glühe noch von der Sauna :)

Eigentlich wollte ich von Rovaniemi auf möglichst direktem Wege weiter nach Helsinki. Aber ständig treffe ich Menschen, die mir neue Ecken und Orte Finnlands empfehlen, besonders den äußerten Osten, der noch wilder, hügeliger und schöner sein soll. So radel ich momentan entlang der russischen Grenze Richtung Süden und genieße immer mehr die scheinbar monotone Natur Finnlands.

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Seit Montag bin ich nun in Rovaniemi. Hier ist es so unfassbar heiß, so heiß wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zum Glück liegt die Stadt direkt am Fluss – meinem Lieblingsort im Moment.

Die Ruhetage hier waren nicht ganz freiwillig. Da mein Zeltboden nicht wasserdicht ist, habe ich Sport Spezial in Aachen kontaktiert und die Jungs haben sich darum gekümmert, dass der Hersteller mir ein neues Innenzelt nach Finnland schickt. Hammer! Heute habe ich nach viel Gedöhns das Zelt dann im Paketzentrum abholen können und es ist dicht. Yeah!

Die Tage verbrachte ich daher größtenteils mit Faulenzen und Essen.. Auch mal schön! Und endlich ist es soweit, es ist Blaubeeren-Zeit! Unten seht ihr meinen heutigen Schlafplatz irgendwo im Wald. Das ganze Grünzeug am Boden sind Blaubeerpflanzen. Ich muss also nur das Zelt öffnen und kann die Beeren pflücken. Heute morgen hat übrigens ein Rentier zum ersten mal probiert in mein Zelt zu kommen.. So schnell war ich selten wach :)

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Lappland, der äußerte Norden Finnlands hats mir voll gegeben! Nach zwei Tagen mit leichtem Regen waren die Radelbedingungen eigentlich ideal: Temperaturen um die 15 Grad, trocken, leicht bewölkt und windstill. Eigentlich! Denn auch die Mücken genossen dieses Wetter und waren überall. Rast war unmöglich, da sich direkt Wolken von Mücken auf mich stürzten. Teilweise waren soviele Mücken vorm Gesicht, dass mir das Atmen schwer fiel. Nicht mehr ich bestimmte den Tagesrhythmus, sondern die Mücken!

Die folgenden zwei Tage (über)lebte ich mit folgenden Grundsätzen:
#1 Lieber schwitzen als bluten: Möglichst jede Körperstelle mit Klamotten bedecken
#2 Keep moving: Das beste Mittel die Mücken los zu werden ist Bewegung
#3 Be prepared: Jede unnötige Rast kostet Blut, also immer im Voraus planen um Stillstand zu vermeiden

Mein Tagesablauf sah also wie folgt aus:
Ich wachte morgens im hoffentlich mückenfreien Zelt auf und konnte schon die Scharen an Mücken am Moskitonetz sitzen sehen. Also probierte ich möglichst alle Aktivitäten im Zelt zu erledigen – Frühstücken, Waschen, Zähne putzen und die Taschen zu packen. Bevor ich das Zelt verließ, zog ich alle langen Klamotten an und sprühte die freien Körperstellen mit Anti-Brumm ein. Der Zeltauf- und abbau ist immer besonders schlimm, da ich hierbei nicht rumlaufen kann. Ich half mir mit wildem Rumfuchteln und Fluchen.
Ein weiterer kritischer Moment ist das Pinkeln. Hierbei entwickelte ich folgende Taktik: Möglichst längere Zeit an einer Stelle stehen bleiben, warten bis sich dort viele Mücken sammeln, los rennen und beim Laufen schon den Hosenstall öffnen. Sobald man steht bleiben nur wenige Sekunden, wenn also der Druck nicht direkt ausreicht, schnell wieder einpacken bevor der Allerwerteste von allen Seiten zerstochen wird.
Dank der Mücken bin ich aber verdammt flott geworden; Innerhalb von 10 Minuten ist alles gepackt und am Fahrrad verstaut.
Nun heißt es möglichst pausenlos radeln, radeln, radeln.. Zwischendurch schnell ein paar Bananen verdrücken und weiter radeln. Werden die Beine müde, suchte ich einen möglichst windigen Platz für die Nacht und probierte das Zelt so aufzubauen, dass möglichst keine Mücken es ins Innenzelt schafften. Gekocht und entspannt wurde dann im Zelt.
Ich bin heilfroh, dass nach den zwei Tagen endlich wieder Wind aufkam. Auch wenn der Wind jetzt stets von Süden mir ins Gesicht bläßt, ist mir dies deutlich lieber als die Mückenplage zuvor. Einheimische versicherten mir zudem, dass es im Süden stetig weniger Mücken werden. Puh!

Mal wieder geht’s ins neue Land über einen Fluss. Die erste freudige Überraschung in Finnland war der Supermarkt hinter der Grenze. Das Preisniveau ist zwar noch etwas höher als in Deutschland, aber vieeel günstiger als Norwegen. Daher schlemme ich im Moment wie ein König :)

Landschaftlich ist es größtenteils wie erwartet: Viele Bäume, endlos lange Straßen und kaum Menschen. Nur flach ist es nun wirklich nicht. Nach den ständig wechselnden und spektakulären Kulissen in Norwegen hat das Radfahren hier eine andere Qualität. So bin ich momentan auf einer 200 km langen Straße zwischen Inari und Kittilä unterwegs. Dazwischen ist so gut wie nichts – keine nennenswerten Ortschaften, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Tankstelle. Hier treffe ich momentan definitiv mehr Rentiere als Menschen.

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