Lappland, der äußerte Norden Finnlands hats mir voll gegeben! Nach zwei Tagen mit leichtem Regen waren die Radelbedingungen eigentlich ideal: Temperaturen um die 15 Grad, trocken, leicht bewölkt und windstill. Eigentlich! Denn auch die Mücken genossen dieses Wetter und waren überall. Rast war unmöglich, da sich direkt Wolken von Mücken auf mich stürzten. Teilweise waren soviele Mücken vorm Gesicht, dass mir das Atmen schwer fiel. Nicht mehr ich bestimmte den Tagesrhythmus, sondern die Mücken!

Die folgenden zwei Tage (über)lebte ich mit folgenden Grundsätzen:
#1 Lieber schwitzen als bluten: Möglichst jede Körperstelle mit Klamotten bedecken
#2 Keep moving: Das beste Mittel die Mücken los zu werden ist Bewegung
#3 Be prepared: Jede unnötige Rast kostet Blut, also immer im Voraus planen um Stillstand zu vermeiden

Mein Tagesablauf sah also wie folgt aus:
Ich wachte morgens im hoffentlich mückenfreien Zelt auf und konnte schon die Scharen an Mücken am Moskitonetz sitzen sehen. Also probierte ich möglichst alle Aktivitäten im Zelt zu erledigen – Frühstücken, Waschen, Zähne putzen und die Taschen zu packen. Bevor ich das Zelt verließ, zog ich alle langen Klamotten an und sprühte die freien Körperstellen mit Anti-Brumm ein. Der Zeltauf- und abbau ist immer besonders schlimm, da ich hierbei nicht rumlaufen kann. Ich half mir mit wildem Rumfuchteln und Fluchen.
Ein weiterer kritischer Moment ist das Pinkeln. Hierbei entwickelte ich folgende Taktik: Möglichst längere Zeit an einer Stelle stehen bleiben, warten bis sich dort viele Mücken sammeln, los rennen und beim Laufen schon den Hosenstall öffnen. Sobald man steht bleiben nur wenige Sekunden, wenn also der Druck nicht direkt ausreicht, schnell wieder einpacken bevor der Allerwerteste von allen Seiten zerstochen wird.
Dank der Mücken bin ich aber verdammt flott geworden; Innerhalb von 10 Minuten ist alles gepackt und am Fahrrad verstaut.
Nun heißt es möglichst pausenlos radeln, radeln, radeln.. Zwischendurch schnell ein paar Bananen verdrücken und weiter radeln. Werden die Beine müde, suchte ich einen möglichst windigen Platz für die Nacht und probierte das Zelt so aufzubauen, dass möglichst keine Mücken es ins Innenzelt schafften. Gekocht und entspannt wurde dann im Zelt.
Ich bin heilfroh, dass nach den zwei Tagen endlich wieder Wind aufkam. Auch wenn der Wind jetzt stets von Süden mir ins Gesicht bläßt, ist mir dies deutlich lieber als die Mückenplage zuvor. Einheimische versicherten mir zudem, dass es im Süden stetig weniger Mücken werden. Puh!

Mal wieder geht’s ins neue Land über einen Fluss. Die erste freudige Überraschung in Finnland war der Supermarkt hinter der Grenze. Das Preisniveau ist zwar noch etwas höher als in Deutschland, aber vieeel günstiger als Norwegen. Daher schlemme ich im Moment wie ein König :)

Landschaftlich ist es größtenteils wie erwartet: Viele Bäume, endlos lange Straßen und kaum Menschen. Nur flach ist es nun wirklich nicht. Nach den ständig wechselnden und spektakulären Kulissen in Norwegen hat das Radfahren hier eine andere Qualität. So bin ich momentan auf einer 200 km langen Straße zwischen Inari und Kittilä unterwegs. Dazwischen ist so gut wie nichts – keine nennenswerten Ortschaften, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Tankstelle. Hier treffe ich momentan definitiv mehr Rentiere als Menschen.

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Nach 7 Wochen Norwegen ist es soweit – die E6 führt mich immer näher an die finnische Grenze. Die Mitternachtssonne scheint dieses mal ganz ungewohnt von hinten. Aber Norwegen hat noch eine letzte Überraschung: Eine Elchkuh trottet mit ihren zwei Jungen nur wenige Meter von der Straße entfernt durchs Fjell. Wow!

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Halbzeit? Ich weiß es nicht, mit dem Nordkapp ändert sich jedenfalls einiges für mich: Ab sofort fahre ich wieder der Sonne entgegen Richtung Süden und die Tage werden kürzer. Zudem endet bald nach ca. 7 Wochen die wunderschöne Zeit in Norwegen. Dafür bin ich auf die kommenden Länder Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn usw. gespannt. Wie weit geht’s Richtung Süden? Mal schauen :)

Hier gibt’s noch ein paar harte Fakten:

Dauer bisher: 11 Wochen
Regentage: maximal 10, einzigartig für Skandinavien oder?
Kilometer: über 5000 (weiß ich nicht genau, da ich weder mit dem GPS tracke noch einen Tacho habe)
Tageskilometer: irgendwas zwischen 20 und 130, meist sehr entspannt :)
Tagesbudget: ca. 10 €, in Norwegen etwas mehr
Fahrradpannen: 3 Platten, ein Schlauch förmlich zerbröckelt. Bald wirds Zeit für einen neuen Reifen und eine neue Kette
Körperliche Blessuren: unzählige Mücken- und Bremsenstiche, alle paar Tage schmerzt mal temporär der Arsch und trotz all der Kilometer habe ich häufig noch Muskelkater in den Beinen
Übernachtungen: in Norwegen bis auf Oslo und Trondheim immer wild gezeltet
Längste Zeit ohne Dusche: 2 Wochen

Bisherige Highlights:

Land: Norwegen!
Städte: Kopenhagen, Trondheim, Tromsø
Natur: Norwegen! (es gibt einfach viel zu viele schöne Ecken)
Menschen: unglaublich viele nette und inspirierende Begegnungen – überall!

Für mich ist die Welt gerade ein riesen Abenteuerspielplatz der danach schreit erkundet zu werden!

27.07.2014 – 01:34: Eroberung erfolgreich :)

Es waren zwei lange und anstrengende Tagesetappen, vor allem die letzten 30 km. Zunächst führt der Nordkapptunnel mit 7 km Länge unter dem Meer auf die Nordkappinsel. Dabei erreicht er eine Tiefe von 200 m unter Meeresniveau und es geht mit ekligen Steigungen runter und leider wieder hoch. Ein Radfahrer der mir entgegen kam beschrieb den Tunnel als Fahrt in die Hölle weil dieser auch noch rot bzw. orange beleuchtet ist. Unpassenderweise ist es aber arschkalt und nass. Auf der Insel scheint ein anderes Klima zu herrschen. Hier tobt der Wind und zwar meist von vorne oder der Seite. In Kombination mit den ganzen kommenden Steigungen wohl die härtesten Kilometer bisher.

Das Nordkapp selber taugt auch nur als geografischer Zielpunkt (wobei dies nichtmal nördlichste Punkt Europas ist). Hier fahren massenweise Busse vor und spucken noch mehr Besucher aus so dass der ganze Ort mehr einem Ameisenhaufen gleicht. Schnell wieder weg!!

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Besteigung am nächsten Tag

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Direkt nach der Ankunft. Ein Foto ohne andere Touristen war zu der Zeit unmöglich.

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Nach einem kurzen Schauer zeigt sich die Landschaft wohl von der prächtigsten Seite. Krasse Farben!

Kurz hinter Tromsø gibt es keine Nebenstraßen mehr, Richtung Norden führt nur noch die E6. Um den starken Verkehr zu meiden, habe ich den Tagesrhythmus umgestellt und radel jetzt einfach Nachts. So genieße ich die Mitternachtssonne und muss mir die Straße nur mit Rentieren teilen.

Gerade bin ich in Alta, der letzten Stadt vorm Nordkapp. Von hier sind es noch 240 km. Da Sonntag das Wetter am Kapp gut werden soll, müssen meine Beine jetzt mal ungewohnt viel strampeln :)

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Heute bin ich in Tromso angekommen, dem “Tor zur Arktis”. Von hier aus ist es noch etwa eine Woche bis zum Nordkapp.

50 km vor Tromso hatte ich einen grandiosen Schlafplatz mit freiem Blick Richtung Norden. So konnte ich zum ersten mal bei klarem Himmel die Mitternachtssonne erleben. Als Bonus besuchte mich noch ein Rentier beim Abendessen :)

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Scheinbar unspektakulär liegt zwischen den Vesteralen und Tromso die zweitgrößte Insel Norwegens Senja. Für mich eine riesen Überraschung und noch schöner als die Lofoten. Zum einen sind die Berge noch rauer und zum anderen verirren sich dort bisher nur wenige Touristen, was man der Infrastruktur und den Dörfern positiv anmerkt.

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Wie Wasserfälle schleichen die Wolken über die Bergkämme

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Wenn es Straßen gibt, dann meist nur recht schmale

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Orkshornan - das Gebiss des Teufels

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Fjordpanorama

Nördlich der Lofoten liegt die Inselgruppe Vesteralen. Dort sind die Berge sind nicht mehr ganz so wild und schroff wie auf den Lofoten und die Inseln scheinen allgemein menschenfreundlicher zu sein.

Die ersten zwei Tage waren neblig und regnerisch. Da sich mein Körper aber eh nach Entspannung sehnte, legte ich in einer kleinen Bucht mit Sandstrand einen Ruhetag ein. So lag ich fast einen Tag nur im Zelt, genoss die Kulisse, hörte Musik und schlief mal wieder aus (garnicht so leicht bei heiterem Wetter und Mitternachtssonne).

Am Nordzipfel der Vesteralen liegt Andenes. Von dort kann schnell ein Gebiet im Nordatlantik erreicht werden, wo im Sommer zahlreiche Pottwale auf Jagd gehen. Also sprengte ich massiv mein Tagesbudget und machte eine Bootstour dort hin. Wir hatten Glück! Insgesamt drei mal zeigte sich ein Pottwal zum Luftholen an der Wasseroberfläche, verweilte einige Minuten um dann elegant die Fluke in die Luft zu strecken und wieder abzutauchen. Hammer Erlebnis!

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Seit Samstag bin ich auf den Lofoten, ein Traum! Zwischen den schroffen, kargen Bergen verstecken sich idyllische Sandstrände und kleine Fischerdörfe mit Mengen an Stockfisch (und den Überresten)..

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