Gerade in Hostels bekomme ich bei anderen Reisenden mit, wieviel Zeit sie mit Planen verbringen: Flüge, Busverbindungen, Übernachtungen, Transfer zu Sehenswürdigkeiten.. All das entfällt beim Reisen per Rad. Ich setze mich einfach aufs Rad, fahre wohin ich will und wenn ich müde bin, suche ich mir einen schönen Platz fürs Zelt. Klingt grandios, ist es auch! :)

Der Flug heim ist nach langem der erste Termin dessen Einhaltung Planung bedingt. Da ich soviel Zeit in Bukarest verbrachte, wurde es zeitlich knapp. Ich überlegte, wie ich in der kurzen Zeit noch nach Istanbul komme und dort möglichst ein paar Tage verbringen kann. Die einfachste Option übersah ich dabei lange Zeit: Den Flug umbuchen! Für ein paar Euro extra habe ich nun einen späteren Flug gebucht und fühle mich wieder pudelwohl..

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Kein Pudel, fühlt sich trotzdem verdammt wohl. Es ist übrigens der gleiche streunende Hund, der bei der Geigenmusik entspannte.

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Varna bei Nacht

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Durch all die Strandbars und Cafés ist teils schwer überhaupt an den Strand zu kommen

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Die Hauptfußgängerzone Varnas. Zumindest Einer scheint die Musik (Titelmelodie des Paten) der Violinistin zu genießen :)

Endlich wieder am Meer, Yeah! Meinen ersten Kontakt mit dem Schwarzen Meer hatte ich nicht in Varna, sondern etwas nördlicher bei Balchik. Schon wenige Kilometer vor der Küste erblickte ich das Meer am Horizont und musste mich nur noch durch den Ort bis an den Strand herab rollen lassen. Trotz all der Euphorie endlich am Schwarzen Meer angekommen zu sein, konnte ich mich nicht überwinden ins Wasser zu springen. Aber das werde ich hoffentlich die nächsten Tage nachholen :)

Entlang der Küste bis Varna bekam ich einen ersten Eindruck von der immensen Tourismusinfrastruktur. Es ist erschreckend wie selten man dank riesiger Hotelanlagen tatsächlich das Meer sehen und nutzen kann. Häufig scheint das Meer nur als Ausblick für die vielen Pools zu dienen. Es gibt sogar eine Kartbahn mit Meerblick – geht’s noch bescheuerter? Hoffentlich finde ich auf dem Weg Richtung Türkei noch halbwegs natürliche Küstenabschnitte..

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Eins der zahlreichen kleinen, bulgarischen Dörfer auf dem Weg nach Varna

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Blick über Balchik aufs Meer

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Die Küste bei Balchik und mein Rad beim Sonnenbad

Auf der Tour habe ich nie so lange Zeit an einem Ort verbracht wie in Bukarest und nach all den Tagen fühlte ich mich dort beinahe heimisch. So fiel mir Abschied von der Stadt und besonders von den lieb gewonnen Menschen verdammt schwer. Dennoch freut sich mein Körper wieder kräftig zu strampeln und stets frischen Wind um die Nase zu haben.

Die folgende Nacht im Zelt war allerdings grenzwertig: Um bei der Kälte (-2°C) schlafen zu können trug ich alle Klamotten und hatte den Schlafsack bis auf ein kleines Atemloch für die Nase komplett zugezogen. Den Schlafsack musste ich mir zudem mit meinem Wasserfilter (die Membran geht bei Frost kaputt) und der Gaskartusche teilen. Denn wie ich bereits bei der Nacht im Schnee gemerkt habe, funktioniert der Gaskocher bzw. die Gasmischung bei Minusgraden nicht mehr – ärgerlich wenn man sich morgens zum Aufwärmen Tee kochen möchte.

Nach über zwei Wochen im wunderschönen Rumänien wechselte ich bei Călărași per Fähre die Donauseite nach Bulgarien. Das Land und die Leute haben mich begeistert und es wird definitiv nicht mein letzter Besuch gewesen sein!

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Der Plan am 31. weiter zu radeln scheiterte an Halloween, weil mich das Hostel zum Pubcrawl einlud. Es war spitze! Natürlich ist es unmöglich am nächsten Morgen aufzubrechen, daher blieb ich noch zwei Nächte länger.

Weil ich mich immer kurzfristig entscheide länger zu bleiben und das Hostel fast immer ausgebucht ist, war es teils schwer noch ein Bett zu bekommen. So kam es, dass ich die letzten drei Nächte auf meiner Luftmatratze in Gemeinschaftsräumen nächtigte und zu einer Art “Hostel-Hobo” wurde. Wir machten uns ein Spaß daraus vor meinem Nachtlager eine Schüssel mit beiliegendem Zettel “Raising money for a room. Thank you!” zu platzieren. Aus dem Spaß wurde jedoch ein seriöses Spendenprojekt mit einem beachtlichen Gewinn von 13 Lei (~3 €).

Reich an Geld, neuen Freundschaften und schönen Begegnungen mache ich mich nun nach 10 Nächten aber endgültig auf den Weg nach Varna am Schwarzen Meer. Jippie Yeah!

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Bukarest ist definitiv keine Schönheit oder eine Stadt, in die man sich auf den ersten Blick verliebt. Nahezu überall dominiert der Mix aus kommunistischen Betonklötzen, älteren (teils verfallenden) Bauten und modernen, pompösen Gebäuden. Im Stadtzentrum wird man förmlich von der Anzahl der Bars, Cafés, Clubs und Restaurants erschlagen – Vielseitigkeit statt Gemütlichkeit.

Trotzdem genieße ich die Zeit hier sehr. Das liegt allerdings mehr an dem Hostel bzw. an den Menschen dort als an der Stadt. Wenn ich den Flug von Istanbul nicht schon gebucht hätte, würde ich hier noch länger verweilen. Die Mitarbeiter lachen mich schon aus, weil ich so oft gesagt habe, dass ich morgen weiter radel. Aktueller Plan ist übermorgen (Freitag) aufzubrechen.. mal schauen :)

Wegen des Wintereinbruchs werde ich nicht durchs Donaudelta sondern direkt nach Varna an die bulgarische Schwarzmeerküste radeln. Zumal das Highlight im Delta die Tiere (Pelikane!) gewesen wären und die Vögel vermutlich schon Richtung Süden gezogen sind.

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Alt, neu und hässlich. Das übliche Stadtbild

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Der Platz der Revolution, wo 1989 Geschichte geschrieben wurde

Nach 3 Tagen in Bukarest war der schlimmste Regen überstanden, dafür ist es unfassbar kalt geworden. Am Samstag war es tagsüber nicht wärmer als 5 Grad, trotzdem beschloss ich weiter zu radeln. Zwar prognostizierte der Wetterdienst, dass es abends leichten Schneefall geben soll, aber das konnte ich mir unmöglich vorstellen – Schnee im Oktober?

Kurz nachdem ich mich aufs Rad gesetzt hatte fielen jedoch die ersten Schneeflocken und peitschten mir mit starkem Gegenwind ins Gesicht. Nach 30 anstrengenden Kilometern mit immer mehr Schnee beschloss ich mein Nachtlager in einem Waldstück östlich von Bukarest zu errichten. Obwohl ich alle Klamotten anzog, war es meine kälteste Nacht bisher – für solche Wetterbedingungen reicht meine Ausrüstung wohl nicht aus. Am nächsten Morgen beschloss ich daher wieder zurück nach Bukarest zu radeln und im Hostel (das übrigens unfassbar cool ist) auf wärmeres Wetter zu warten.

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Obwohl die Donau nur 60 km an Bukarest vorbei fließt, wollte ich Rumäniens Hauptstadt nicht besuchen. Zum einen weil viele Rumänen und Reisende mir erzählten, dass die Stadt nicht sehenswert sei, zum anderen weil ich in den letzten Wochen soviele Städte sah und die ländlichen Gegenden momentan mehr genieße.

Die Wetterprognose änderte allerdings meine Pläne. Da es massenhaft Regen geben sollte,  beschloss ich doch nach Bukarest zu radeln und den Regen in einem Hostel mit netten Menschen auszusitzen. Es wird die nächsten Tage eh spannend, da die Temperaturen massiv fallen werden: Am Wochenende soll es tagsüber nicht wärmer als 6 Grad und nachts erstmalig kälter als Null Grad werden. Mal schauen, wie warm meine Klamotten und der Schlafsack wirklich sind :)

Den Weg bis Bukarest war allerdings hart. Da ein großer Abschnitt der Hauptstraße für Radfahrer gesperrt ist, musste ich auf sekundäre und tertiäre Straßen ausweichen. Diese sind in Rumänien leider selten asphaltiert, so dass ich mich über holprige Pisten mit viel Schlamm und Sand kämpfte. Die Steine waren wohl so spitz, dass ich sowohl vorne als auch hinten einen Platten hatte – der Letzte war auf den Lofoten vor etwa 5000 km!

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Ich war nicht der einzige schwer beladene Radfahrer

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Reifen flicken im staubigen Nirgendwo

In Oryahovo wechselte ich erneut die Donauseite von Bulgarien nach Rumänien. Das Beste sind definitiv die Menschen: Fahre ich durch die zahlreichen, kleinen Dörfer, kommen die Kinder an den Straßenrand gelaufen, grüßen lauthals, strecken ihre Hände für High Fives aus und wollen Fotos mit mir machen. Auch sonst habe ich überall nur schöne Begegnungen. Mal werde ich eingeladen, bekomme Überraschungsbesuch eines Hirten mit seiner Ziegenherde oder helfe einem Farmer sein Zugpferd wieder einzufangen..

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Zwar sehe ich die Donau nur selten, dafür aber schöne Seen wie diese

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Kinder beschlagnahmen mein Rad :)

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Mein abgelegenes Nachtlager am See..

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aber der Hirte fand mich trotzdem - zum beidseitigen Vergnügen

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Pompöser Sonnenuntergang kurz vor Bukarest

Nach dem Eisernen Tor folgte ich der Donau rechtsseitig durch Serbien und passierte zwei Tage später die Grenze zu Bulgarien. Es bleibt grandios! Obwohl die Region die ärmste Bulgariens ist und viele Menschen in zerfallenen, improvisierten Häusern leben, strotzen sie nur so vor Lebensfreude.

Als schwierig erweist sich die Kommunikation: Im Gegensatz zu Serbien, wo neben dem kyrillischen Alphabet immer noch das Lateinische verwendet wird, existiert in Bulgarien nur das Kyrillische. Auch mit viel Wohlwollen werde ich aus den Wörtern selten schlau. Da ich aber meist mit Händen und Füßen kommuniziere, ist das nicht so schwerwiegend. Viel irritierender ist, dass die Bulgaren mit dem Kopf schütteln für “Ja” und Nicken für “Nein”.. Verrücktes Volk :)

Am zweiten Tag in Bulgarien erreichte ich die Stadt Vidin, die ärmste Stadt der gesamten EU. Entgegen meiner Erwartung war dies eine erschreckende Erfahrung. Auf der Suche nach einem Supermarkt ging ich über einen Markt, wo die Menschen in Wellblechhütten und auf dem Boden alles anboten, was sich verkaufen lässt: Obst, Gemüse, Autoteile, Hühner, Kaninchen, Elektrokram usw.. Ich fühlte mich unwohl als offensichtlicher Tourist und hatte erstmalig das Gefühl nicht als Mensch sondern als “Geld auf Rädern” wahrgenommen zu werden. Es dauerte nicht lange, da kamen Roma-Kinder angelaufen und bettelten mit offenen Händen. Der Supermarkt war direkt nebenan und ein Junge, ca. 10 Jahre alt, folgte mir bis dort. Ich wollte ihm kein Geld geben, da häufig die Eltern ihre Kinder betteln schicken und später das Geld einsacken. Um ihm eine Freude zu machen, brachte ich ihm Schokoriegel aus dem Supermarkt mit. Er nahm sie glücklich entgegen. Als ich wieder zum Fahrrad ging, sah ich, dass das Schloss zwischen Speichen und Rahmen verklemmt war. Wie mir ein älterer Bulgare signalisierte, muss der Junge mit seinem Freund probiert haben mein Fahrrad zu klauen. Und ich belohnte ihn auch noch dafür!

Auch die restliche Stadt hatte einen seltsamen Flair – ganz anders als in den umgebenden Dörfern, wo die Menschen sicherlich ähnlich arm sind. Die Gemeinschaft scheint hier zerklüftet zu sein, vielleicht wegen der Größe und höheren Anonymität. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass es in der Stadt eher möglich ist einen dem Wohlstand angepassten Lebensstil zu führen und sich so abzugrenzen. Auf dem Dorf wohnt der Eine vielleicht in einem schickeren Haus mit einem glänzendem Auto vor der Türe, dennoch kaufen alle im gleichen Supermarkt ein, essen das gleiche Brot, und sitzen abends in der gleichen (und einzigen) Bar.

Leider habe ich keine Fotos aus Vidin. Da ich mich eh schon unbehaglich fühlte, wollte ich nicht noch meine Kamera zücken..

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