Viele schöne Geschichten beginnen mit einem Kaffee oder beinhalten zumindestens welchen – so auch dieses Wochenende: Nachdem mir in Rovaniemi viele Finnen geraten haben nahe der russischen Grenze nach Süden zu radeln, passierte ich Samstag das Dorf Metsäkylän nahe Taivalkoski. Dort gab es einen kleinen Lebensmittelladen mit Café bzw. Bar. Bei so seltenen Chancen kann ich selten widerstehen, also stoppte ich für einen Kaffee.

Noch bevor der Kaffee eingeschenkt war, kam ich mit Veli ins Gespräch. Er war mit seiner Freundin unterwegs und entspannte in einem Cottage in der Nähe. Seine Freundin kümmerte sich um den Einkauf der Lebensmittel, er setzte sich zu mir in die Bar und trank sein morgendliches Bier. Da er lange Zeit in seines Lebens in der Gegend verbracht hat, konnte er mir viele Tipps und Routenempfehlungen geben. Zudem gab Veli mir einen Apfelcider aus und schrieb mir noch die Adresse von seiner Hütte auf, wo ich wohnen, saunieren und entspannen kann so lange ich möchte. Hammer!

Nach Velis zahlreichen Tipps verwarf ich wie so oft meine Pläne, saß im Café über den Karten und überlegte neu, wie ich die schönen empfohlenen finnischen Orte auf einer sinnvollen Route verknüpfen kann.. und mal wieder soll es noch weiter Richtung russische Grenze gehen.
Nachdem ich ein paar Worte mit Sulo, dem Inhaber der Bar, gewechselt hatte, fragte er mich, ob ich in die Sauna gehen möchte. Ja klar! Er rief seinen Neffen Sauli an und ließ ihn die Sauna anfeuern. Eine halbe Stunde später warfen wir mein Rad in den Bulli und fuhren zum Anwesen seiner Familie. Dort wohnt er mir seiner Frau Sirkku sowie seine Schwägerin Aini mit ihren 3 Kindern Henri, Sauli und Pauliina. Wunderschöne alte Holzhäuser (und ein eigenes Museum) mit Blick auf den See! Sauli fragte mich, ob ich lieber alleine oder mit Handtuch saunieren möchte. Auf keinen Fall, so original und finnisch wie möglich! Also saßen Sauli, Sulo und ich mit einem Sixpack Bier in der Sauna und sie zeigten mir, was eine wahre finnische Sauna ist. Ein Traum! Wieviel Zeit wir dort verbrachten kann ich nicht sagen, aber es waren mindestens 5 oder 6 Saunagänge und soviele, dass jeder Muskel meines Körpers tiefenentspannt war.

Anschließend war bereits das Abendessen zubereitet und die gesamte Familie versammelte sich in einem urigen Wohnzimmer voller bunter Teppiche. Was mir besonders gut gefallen hat: Sobald alle aufgegessen haben wird Kaffee und süßes Gebäck (unglaublich lecker) serviert und zwar zu jeder Tageszeit. So trank ich an dem Abend kurz vor Mitternacht den letzten Kaffee bevor ich mich im Gästezimmer schlafen legte.

Der nächste Morgen startete fantastisch. Wie jeden Sonntag gab es finnisches Reis-Porridge, das nicht süß sondern salzig ist und meist nur mit Butter oder Beerensuppe gegessen wird. Trotz anfänglicher Skepsis war ich begeistert und es schmeckt tatsächlich ganz anders als Milchreis. Eigentlich wollte ich nach dem Frühstück weiter radeln aber ich genoss die Zeit mit der Familie (und natürlich den Kaffee) so sehr, dass ich erst im späten Nachmittag Richtung Südosten aufbrach. Für mich war es eine wunderschöne Erfahrung so herzlich in die Familie aufgenommen zu werden und viel über das Leben und die Geschichte der Finnen zu lernen. Irgendwann werde ich sie nochmal besuchen, hoffentlich im Winter auf dem Schneemobil bei klarem Himmel und Nordlichtern :)

image

Sulo, Sauli, Ich, Pauliina und Aini. Ich glühe noch von der Sauna :)

Eigentlich wollte ich von Rovaniemi auf möglichst direktem Wege weiter nach Helsinki. Aber ständig treffe ich Menschen, die mir neue Ecken und Orte Finnlands empfehlen, besonders den äußerten Osten, der noch wilder, hügeliger und schöner sein soll. So radel ich momentan entlang der russischen Grenze Richtung Süden und genieße immer mehr die scheinbar monotone Natur Finnlands.

image

image

image

image

Letzten Sonntag erreichte ich nach 12 Wochen eifrigen Pedalierens wieder Aachen – den Start- und Endpunkt meiner Reise. Aber angekommen? Noch lange nicht :)
In einem (sehr angenehmen) “posttraumatischen” Zustand verlangt mein Körper weiterhin nach der täglichen Dosis Radeln, Fahrtwind und Natur.
Ein Resümee zu formulieren wird der Reise wohl kaum gerecht, deswegen beschränke ich mich hauptsächlich auf die harten Fakten. In jedem Fall waren es 12 Wochen voller wunderschöner Landschaft, unglaublich netter Menschen und jeder Menge Schweiß & Freude.

Die Fakten:

Dauer: 12 Wochen – 38 Tage Norwegen, 19 Tage Deutschland, 16 Tage Dänemark, 11 Tage Schweden
Regentage:
< 10 Tage, das Glück war auf unserer Seite
Zeit im Sattel:
300 h
Gesamtkilometer: 5’300 km und sicherlich auch einige Höhenmeter :)
Tageskilometer:
meist entspannte Etappen zwischen 20 und 110 km
Budget:
zwischen 10-15 € pro Tag, Norwegen war dabei die treibende Kraft
Fahrradpannen:
Ständerbruch in den ersten Wochen und eine Reifenpanne für die Statistik, ansonsten lief der Hobel rund :)
Körperliche Blessuren:
die wenigsten Körperstellen blieben von Mücken verschont, dazu ein gemeiner Bienenstich am Allerwertesten und der Muskelkater sowie schmerzende Hintern meldete sich bis zum Schluss immer mal wieder. Körpergewicht: -5 kg, Bart: +40 mm
Übernachtungen:
in Deutschland überwiegend auf Höfen und teilweise auf Campingplätzen, in Dänemark wild und auf Shelterplätzen, in Schweden und Norwegen immer wild bis auf Oslo und Bergen
Längste Zeit ohne Dusche:
ca. 2-3 Wochen. Ein Bach, Wasserfall oder See war aber meistens nah.

Highlights:

Land: Norwegen!
Städte:
Kopenhagen, Bergen, Hamburg
Natur:
Norwegen!
Menschen:
Überall traf man unglaublich nette, gastfreundliche und inspirierende Menschen, die einen wichtigen Teil der Reise ausmachen.

IMG_8759_e

Ein wenig abgerockt aber gut drauf :)

Seit Montag bin ich nun in Rovaniemi. Hier ist es so unfassbar heiß, so heiß wie seit 50 Jahren nicht mehr. Zum Glück liegt die Stadt direkt am Fluss – meinem Lieblingsort im Moment.

Die Ruhetage hier waren nicht ganz freiwillig. Da mein Zeltboden nicht wasserdicht ist, habe ich Sport Spezial in Aachen kontaktiert und die Jungs haben sich darum gekümmert, dass der Hersteller mir ein neues Innenzelt nach Finnland schickt. Hammer! Heute habe ich nach viel Gedöhns das Zelt dann im Paketzentrum abholen können und es ist dicht. Yeah!

Die Tage verbrachte ich daher größtenteils mit Faulenzen und Essen.. Auch mal schön! Und endlich ist es soweit, es ist Blaubeeren-Zeit! Unten seht ihr meinen heutigen Schlafplatz irgendwo im Wald. Das ganze Grünzeug am Boden sind Blaubeerpflanzen. Ich muss also nur das Zelt öffnen und kann die Beeren pflücken. Heute morgen hat übrigens ein Rentier zum ersten mal probiert in mein Zelt zu kommen.. So schnell war ich selten wach :)

image

Lappland, der äußerte Norden Finnlands hats mir voll gegeben! Nach zwei Tagen mit leichtem Regen waren die Radelbedingungen eigentlich ideal: Temperaturen um die 15 Grad, trocken, leicht bewölkt und windstill. Eigentlich! Denn auch die Mücken genossen dieses Wetter und waren überall. Rast war unmöglich, da sich direkt Wolken von Mücken auf mich stürzten. Teilweise waren soviele Mücken vorm Gesicht, dass mir das Atmen schwer fiel. Nicht mehr ich bestimmte den Tagesrhythmus, sondern die Mücken!

Die folgenden zwei Tage (über)lebte ich mit folgenden Grundsätzen:
#1 Lieber schwitzen als bluten: Möglichst jede Körperstelle mit Klamotten bedecken
#2 Keep moving: Das beste Mittel die Mücken los zu werden ist Bewegung
#3 Be prepared: Jede unnötige Rast kostet Blut, also immer im Voraus planen um Stillstand zu vermeiden

Mein Tagesablauf sah also wie folgt aus:
Ich wachte morgens im hoffentlich mückenfreien Zelt auf und konnte schon die Scharen an Mücken am Moskitonetz sitzen sehen. Also probierte ich möglichst alle Aktivitäten im Zelt zu erledigen – Frühstücken, Waschen, Zähne putzen und die Taschen zu packen. Bevor ich das Zelt verließ, zog ich alle langen Klamotten an und sprühte die freien Körperstellen mit Anti-Brumm ein. Der Zeltauf- und abbau ist immer besonders schlimm, da ich hierbei nicht rumlaufen kann. Ich half mir mit wildem Rumfuchteln und Fluchen.
Ein weiterer kritischer Moment ist das Pinkeln. Hierbei entwickelte ich folgende Taktik: Möglichst längere Zeit an einer Stelle stehen bleiben, warten bis sich dort viele Mücken sammeln, los rennen und beim Laufen schon den Hosenstall öffnen. Sobald man steht bleiben nur wenige Sekunden, wenn also der Druck nicht direkt ausreicht, schnell wieder einpacken bevor der Allerwerteste von allen Seiten zerstochen wird.
Dank der Mücken bin ich aber verdammt flott geworden; Innerhalb von 10 Minuten ist alles gepackt und am Fahrrad verstaut.
Nun heißt es möglichst pausenlos radeln, radeln, radeln.. Zwischendurch schnell ein paar Bananen verdrücken und weiter radeln. Werden die Beine müde, suchte ich einen möglichst windigen Platz für die Nacht und probierte das Zelt so aufzubauen, dass möglichst keine Mücken es ins Innenzelt schafften. Gekocht und entspannt wurde dann im Zelt.
Ich bin heilfroh, dass nach den zwei Tagen endlich wieder Wind aufkam. Auch wenn der Wind jetzt stets von Süden mir ins Gesicht bläßt, ist mir dies deutlich lieber als die Mückenplage zuvor. Einheimische versicherten mir zudem, dass es im Süden stetig weniger Mücken werden. Puh!

Mal wieder geht’s ins neue Land über einen Fluss. Die erste freudige Überraschung in Finnland war der Supermarkt hinter der Grenze. Das Preisniveau ist zwar noch etwas höher als in Deutschland, aber vieeel günstiger als Norwegen. Daher schlemme ich im Moment wie ein König :)

Landschaftlich ist es größtenteils wie erwartet: Viele Bäume, endlos lange Straßen und kaum Menschen. Nur flach ist es nun wirklich nicht. Nach den ständig wechselnden und spektakulären Kulissen in Norwegen hat das Radfahren hier eine andere Qualität. So bin ich momentan auf einer 200 km langen Straße zwischen Inari und Kittilä unterwegs. Dazwischen ist so gut wie nichts – keine nennenswerten Ortschaften, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Tankstelle. Hier treffe ich momentan definitiv mehr Rentiere als Menschen.

image

image

Nach 7 Wochen Norwegen ist es soweit – die E6 führt mich immer näher an die finnische Grenze. Die Mitternachtssonne scheint dieses mal ganz ungewohnt von hinten. Aber Norwegen hat noch eine letzte Überraschung: Eine Elchkuh trottet mit ihren zwei Jungen nur wenige Meter von der Straße entfernt durchs Fjell. Wow!

image

image

Letzen Montag habe ich wieder die deutsch-dänische Grenze passiert. Die dänische Westküste hatte mit schönen Küstenabschnitten, einem Bienenstich im Allerwertesten, mit Ribe, der ältesten Stadt Dänemarks, und mit tollen Begegnungen mit anderen Reisenden noch einiges zu bieten.

Mit dem Beginn des Wattenmeers führen die Radwege überwiegend entlang der Deiche auf ewig flachem Land wo die Schafe meine ständigen Begleiter sind. Schöne Strände sind hier rar, so dass ich gestern einen Abstecher nach St. Peter-Ording machte um dort noch mal ins Meer zu hüpfen.

Die letzte Nacht habe ich auf dem Hof von Nadja&Arne verbracht, mit denen ich eine total schöne Zeit hatte und wo ich mir die Wiese mit 30 Schafen und 3 Pferden teilte. Arne empfahl mir noch, den kleinen Umweg über das benachbarte Wacken zu machen, wo diese Woche alles im Zeichen des Heavy-Metall steht. Durchaus eine lohnenswerte Erfahrung, auch wenn ich froh war die schwarz umhüllten Menschenmassen wieder hinter mir zu lassen.

Gegen Abend erreichte ich bei Glückstadt die Elbe und werde dann morgen nach Hamburg radeln, wo wir bereits vor knapp elf Wochen auf dem Weg Richtung Norden waren und sich für mich somit die Route schließt.

20140731-230534-83134481.jpg

Ausflug in eine andere Welt

20140731-230532-83132632.jpg

Deiche, Schafe und immer am Wasser entlang

Halbzeit? Ich weiß es nicht, mit dem Nordkapp ändert sich jedenfalls einiges für mich: Ab sofort fahre ich wieder der Sonne entgegen Richtung Süden und die Tage werden kürzer. Zudem endet bald nach ca. 7 Wochen die wunderschöne Zeit in Norwegen. Dafür bin ich auf die kommenden Länder Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn usw. gespannt. Wie weit geht’s Richtung Süden? Mal schauen :)

Hier gibt’s noch ein paar harte Fakten:

Dauer bisher: 11 Wochen
Regentage: maximal 10, einzigartig für Skandinavien oder?
Kilometer: über 5000 (weiß ich nicht genau, da ich weder mit dem GPS tracke noch einen Tacho habe)
Tageskilometer: irgendwas zwischen 20 und 130, meist sehr entspannt :)
Tagesbudget: ca. 10 €, in Norwegen etwas mehr
Fahrradpannen: 3 Platten, ein Schlauch förmlich zerbröckelt. Bald wirds Zeit für einen neuen Reifen und eine neue Kette
Körperliche Blessuren: unzählige Mücken- und Bremsenstiche, alle paar Tage schmerzt mal temporär der Arsch und trotz all der Kilometer habe ich häufig noch Muskelkater in den Beinen
Übernachtungen: in Norwegen bis auf Oslo und Trondheim immer wild gezeltet
Längste Zeit ohne Dusche: 2 Wochen

Bisherige Highlights:

Land: Norwegen!
Städte: Kopenhagen, Trondheim, Tromsø
Natur: Norwegen! (es gibt einfach viel zu viele schöne Ecken)
Menschen: unglaublich viele nette und inspirierende Begegnungen – überall!

Für mich ist die Welt gerade ein riesen Abenteuerspielplatz der danach schreit erkundet zu werden!

27.07.2014 – 01:34: Eroberung erfolgreich :)

Es waren zwei lange und anstrengende Tagesetappen, vor allem die letzten 30 km. Zunächst führt der Nordkapptunnel mit 7 km Länge unter dem Meer auf die Nordkappinsel. Dabei erreicht er eine Tiefe von 200 m unter Meeresniveau und es geht mit ekligen Steigungen runter und leider wieder hoch. Ein Radfahrer der mir entgegen kam beschrieb den Tunnel als Fahrt in die Hölle weil dieser auch noch rot bzw. orange beleuchtet ist. Unpassenderweise ist es aber arschkalt und nass. Auf der Insel scheint ein anderes Klima zu herrschen. Hier tobt der Wind und zwar meist von vorne oder der Seite. In Kombination mit den ganzen kommenden Steigungen wohl die härtesten Kilometer bisher.

Das Nordkapp selber taugt auch nur als geografischer Zielpunkt (wobei dies nichtmal nördlichste Punkt Europas ist). Hier fahren massenweise Busse vor und spucken noch mehr Besucher aus so dass der ganze Ort mehr einem Ameisenhaufen gleicht. Schnell wieder weg!!

image

Besteigung am nächsten Tag

image

Direkt nach der Ankunft. Ein Foto ohne andere Touristen war zu der Zeit unmöglich.

image

Nach einem kurzen Schauer zeigt sich die Landschaft wohl von der prächtigsten Seite. Krasse Farben!