Nach einer Nacht in Malko Tarnovo, kurz vor der türkischen Grenze, verlasse ich heute schon wieder Bulgarien – mit gemischten Gefühlen.

Für Radfahrer ist Bulgarien eine Herausforderung. Das liegt zum einen an der Topographie (flach ist es eigentlich nie) und zum anderen am Straßennetz und den Autofahrern. Verlässt man die Hauptstraßen, sind die Straßenverhältnisse meist so mies, dass man nur mühsam voran kommt. In manchen Regionen ist wiederum das Straßennetz so weitmaschig, dass sich stark befahrene Straßen nicht vermeiden lassen. So musste ich zwei Streckenabschnitte auf der Autobahn fahren – definitiv eine Erfahrung!

Die bulgarische Schwarzmeerküste ist zwar stellenweise echt schön, hat mich aber insgesamt enttäuscht. Die vielen Resorts, die eher wie Vergnügungsparks wirken, und Hotelkomplexe überhäufen die gesamte Küste. Jetzt in der Nebensaison sind diese Orte (hässliche) Geisterstädte, wo nur noch Bauarbeiter bei den Vorbereitungen für die nächste Saison anzutreffen sind.

In Bukarest traf ich mehrere Bulgaren und wann immer ich erzählte, dass ich durch Nordwestbulgarien und Vidin geradelt bin waren die Reaktionen in etwa “Oh Gott, wieso denn ausgerechnet da? Das ist der schlimmste Fleck Bulgariens!”. Aber im Rückblick muss ich sagen, dass mir der Teil besser als der Rest Bulgariens gefallen hat, besonders aufgrund netter Begegnungen mit Bulgaren dort. Je weiter ich mich von Serbien entfernte – das gilt in gleicher Weise für Rumänien – desto mürrischer und distanzierter wurden die Menschen.

Die Schönheiten Bulgariens, die mir wahrscheinlich viel besser gefallen hätten wie Sofia, Slavena, Plovdiv und die prächtigen Berge lagen leider abseits meiner Route. Allerdings wird dies sicher nicht meine letzte Radtour durch den Balkan gewesen sein. Aber jetzt freue ich mich erstmal auf die Türkei!

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Trotz Regen haben Shosho und ich stets viel Spaß. Er hat es allerdings mit dem vielen Gepäck bergauf schwerer..

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Es lässt sich nicht mehr leugnen: Auch in Bulgarien ist Herbst.

In Varna traf ich Shosho Chang aus Taiwan auf seiner Weltreise – per Rad! Seit 11 Monaten sitzt er schon auf seinem Sattel und ist quer durch China, Russland und Europa geradelt. Zufällig trafen wir uns in Burgas wieder, dinierten gemeinsam und beschlossen noch einen Tag länger hier zu bleiben. Für die nächste Nacht gönnten wir uns ein gemeinsames Doppelzimmer in einer Pension, wo wir königlich entspannen können (die Nacht zuvor schlief ich in einem begehbaren Kleiderschrank).

Es ist schön einen Radreisenden zu treffen, der ebenfalls seit mehreren Monaten unterwegs ist und mit dem ich mich über die persönlichen Erfahrungen austauschen kann. Zudem pflegen wir die gleichen Bedürfnisse: Unmengen an Essen und viel Schlaf :)

Da Shoshos nächstes Etappenziel ebenfalls Istanbul ist, werden wir die nächsten Tage zusammen radeln und sicherlich viel Spaß haben.

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Zwischen Varna und Burgas befindet sich ein langer Strandabschnitt “Irakli”, der im Sommer von den Hippies bevölkert wird. Sie leben am Strand oder im angrenzenden Wald so lange das Wetter schön ist. Als ich dort ankam, waren leider keine Hippies mehr da, nur noch Überreste von den Zeltkolonien. Ich genoss es jedoch so sehr einen riesigen Strand für mich alleine zu haben, dass ich dort zwei Tage verweilte und faulenzte..

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Hinter dem Fluss beginnt das Hippie-Territorium

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Nachts bei Mondschein, nur umgeben von Bäumen, Sand und Meer, bekommt der Ort was mystisches

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Beladenes Rad + Sand = Muskelkater

Gerade in Hostels bekomme ich bei anderen Reisenden mit, wieviel Zeit sie mit Planen verbringen: Flüge, Busverbindungen, Übernachtungen, Transfer zu Sehenswürdigkeiten.. All das entfällt beim Reisen per Rad. Ich setze mich einfach aufs Rad, fahre wohin ich will und wenn ich müde bin, suche ich mir einen schönen Platz fürs Zelt. Klingt grandios, ist es auch! :)

Der Flug heim ist nach langem der erste Termin dessen Einhaltung Planung bedingt. Da ich soviel Zeit in Bukarest verbrachte, wurde es zeitlich knapp. Ich überlegte, wie ich in der kurzen Zeit noch nach Istanbul komme und dort möglichst ein paar Tage verbringen kann. Die einfachste Option übersah ich dabei lange Zeit: Den Flug umbuchen! Für ein paar Euro extra habe ich nun einen späteren Flug gebucht und fühle mich wieder pudelwohl..

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Kein Pudel, fühlt sich trotzdem verdammt wohl. Es ist übrigens der gleiche streunende Hund, der bei der Geigenmusik entspannte.

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Varna bei Nacht

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Durch all die Strandbars und Cafés ist teils schwer überhaupt an den Strand zu kommen

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Die Hauptfußgängerzone Varnas. Zumindest Einer scheint die Musik (Titelmelodie des Paten) der Violinistin zu genießen :)

Endlich wieder am Meer, Yeah! Meinen ersten Kontakt mit dem Schwarzen Meer hatte ich nicht in Varna, sondern etwas nördlicher bei Balchik. Schon wenige Kilometer vor der Küste erblickte ich das Meer am Horizont und musste mich nur noch durch den Ort bis an den Strand herab rollen lassen. Trotz all der Euphorie endlich am Schwarzen Meer angekommen zu sein, konnte ich mich nicht überwinden ins Wasser zu springen. Aber das werde ich hoffentlich die nächsten Tage nachholen :)

Entlang der Küste bis Varna bekam ich einen ersten Eindruck von der immensen Tourismusinfrastruktur. Es ist erschreckend wie selten man dank riesiger Hotelanlagen tatsächlich das Meer sehen und nutzen kann. Häufig scheint das Meer nur als Ausblick für die vielen Pools zu dienen. Es gibt sogar eine Kartbahn mit Meerblick – geht’s noch bescheuerter? Hoffentlich finde ich auf dem Weg Richtung Türkei noch halbwegs natürliche Küstenabschnitte..

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Eins der zahlreichen kleinen, bulgarischen Dörfer auf dem Weg nach Varna

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Blick über Balchik aufs Meer

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Die Küste bei Balchik und mein Rad beim Sonnenbad

Auf der Tour habe ich nie so lange Zeit an einem Ort verbracht wie in Bukarest und nach all den Tagen fühlte ich mich dort beinahe heimisch. So fiel mir Abschied von der Stadt und besonders von den lieb gewonnen Menschen verdammt schwer. Dennoch freut sich mein Körper wieder kräftig zu strampeln und stets frischen Wind um die Nase zu haben.

Die folgende Nacht im Zelt war allerdings grenzwertig: Um bei der Kälte (-2°C) schlafen zu können trug ich alle Klamotten und hatte den Schlafsack bis auf ein kleines Atemloch für die Nase komplett zugezogen. Den Schlafsack musste ich mir zudem mit meinem Wasserfilter (die Membran geht bei Frost kaputt) und der Gaskartusche teilen. Denn wie ich bereits bei der Nacht im Schnee gemerkt habe, funktioniert der Gaskocher bzw. die Gasmischung bei Minusgraden nicht mehr – ärgerlich wenn man sich morgens zum Aufwärmen Tee kochen möchte.

Nach über zwei Wochen im wunderschönen Rumänien wechselte ich bei Călărași per Fähre die Donauseite nach Bulgarien. Das Land und die Leute haben mich begeistert und es wird definitiv nicht mein letzter Besuch gewesen sein!

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Der Plan am 31. weiter zu radeln scheiterte an Halloween, weil mich das Hostel zum Pubcrawl einlud. Es war spitze! Natürlich ist es unmöglich am nächsten Morgen aufzubrechen, daher blieb ich noch zwei Nächte länger.

Weil ich mich immer kurzfristig entscheide länger zu bleiben und das Hostel fast immer ausgebucht ist, war es teils schwer noch ein Bett zu bekommen. So kam es, dass ich die letzten drei Nächte auf meiner Luftmatratze in Gemeinschaftsräumen nächtigte und zu einer Art “Hostel-Hobo” wurde. Wir machten uns ein Spaß daraus vor meinem Nachtlager eine Schüssel mit beiliegendem Zettel “Raising money for a room. Thank you!” zu platzieren. Aus dem Spaß wurde jedoch ein seriöses Spendenprojekt mit einem beachtlichen Gewinn von 13 Lei (~3 €).

Reich an Geld, neuen Freundschaften und schönen Begegnungen mache ich mich nun nach 10 Nächten aber endgültig auf den Weg nach Varna am Schwarzen Meer. Jippie Yeah!

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Bukarest ist definitiv keine Schönheit oder eine Stadt, in die man sich auf den ersten Blick verliebt. Nahezu überall dominiert der Mix aus kommunistischen Betonklötzen, älteren (teils verfallenden) Bauten und modernen, pompösen Gebäuden. Im Stadtzentrum wird man förmlich von der Anzahl der Bars, Cafés, Clubs und Restaurants erschlagen – Vielseitigkeit statt Gemütlichkeit.

Trotzdem genieße ich die Zeit hier sehr. Das liegt allerdings mehr an dem Hostel bzw. an den Menschen dort als an der Stadt. Wenn ich den Flug von Istanbul nicht schon gebucht hätte, würde ich hier noch länger verweilen. Die Mitarbeiter lachen mich schon aus, weil ich so oft gesagt habe, dass ich morgen weiter radel. Aktueller Plan ist übermorgen (Freitag) aufzubrechen.. mal schauen :)

Wegen des Wintereinbruchs werde ich nicht durchs Donaudelta sondern direkt nach Varna an die bulgarische Schwarzmeerküste radeln. Zumal das Highlight im Delta die Tiere (Pelikane!) gewesen wären und die Vögel vermutlich schon Richtung Süden gezogen sind.

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Alt, neu und hässlich. Das übliche Stadtbild

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Der Platz der Revolution, wo 1989 Geschichte geschrieben wurde

Nach 3 Tagen in Bukarest war der schlimmste Regen überstanden, dafür ist es unfassbar kalt geworden. Am Samstag war es tagsüber nicht wärmer als 5 Grad, trotzdem beschloss ich weiter zu radeln. Zwar prognostizierte der Wetterdienst, dass es abends leichten Schneefall geben soll, aber das konnte ich mir unmöglich vorstellen – Schnee im Oktober?

Kurz nachdem ich mich aufs Rad gesetzt hatte fielen jedoch die ersten Schneeflocken und peitschten mir mit starkem Gegenwind ins Gesicht. Nach 30 anstrengenden Kilometern mit immer mehr Schnee beschloss ich mein Nachtlager in einem Waldstück östlich von Bukarest zu errichten. Obwohl ich alle Klamotten anzog, war es meine kälteste Nacht bisher – für solche Wetterbedingungen reicht meine Ausrüstung wohl nicht aus. Am nächsten Morgen beschloss ich daher wieder zurück nach Bukarest zu radeln und im Hostel (das übrigens unfassbar cool ist) auf wärmeres Wetter zu warten.

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